Projektentwickler prüfen derzeit unterschiedliche Szenarien für das höchste Gebäude des Bezirks Altona. Neubau oder Sanierung?

Hamburg. 86 Meter hoch, 23 Stockwerke: Das Hermes-Hochhaus an der Friedensallee ist das höchste Gebäude im Bezirk Altona und gehört zu den nur zwölf Wolkenkratzern in Hamburg, die höher als 80 Meter sind. Jetzt gibt es Pläne, das massige Bürohaus wieder abzureißen, weil es nicht mehr modernen Anforderungen genügt und offensichtlich hohe Energiekosten verursacht. Entsprechende Überlegungen bestätigte die Sprecherin des Kreditversicherers Euler Hermes, der in Bahrenfeld rund 1450 Mitarbeiter beschäftigt. Die meisten davon arbeiten in dem 1981 fertiggestellten Hochhaus, das gelegentlich wegen seiner hellen Fassade auch als der Weiße Riese von Altona bezeichnet wird. "Vom Abriss und Neubau bis hin zu einer Sanierung ist alles möglich, das wird jetzt geprüft", sagte Unternehmenssprecherin Sabine Enseleit dem Abendblatt. Die Überlegungen beträfen aber nur das Gebäude, nicht den Standort, so Enseleit.

Nach Abendblatt-Informationen ist Euler Hermes derzeit mit sechs namhaften Hamburger Projektentwicklern im Gespräch, um Vorschläge für die Zukunft der Immobilie zu erhalten. Die Bauleute klopfen daher zurzeit bei Politik und Verwaltung in Altona an, um auszuloten, was planrechtlich dort möglich ist. Ein mögliches Szenario: Das Hochhaus wird verkauft, abgerissen und das Areal mit Wohngebäuden neu bebaut. Sogar eine Preisvorstellung des zur Allianz-Gruppe gehörenden Unternehmens soll es geben, die aber unbestätigt ist. 80 Millionen Euro, so heißt es in Politikerkreisen, will Euler Hermes für Gebäude und Grundstück haben.

Viel dürfte nun davon abhängen, was dort im Bereich Friedensallee möglich ist. Das Areal sei offiziell als Kerngebiet ausgewiesen, Altona könnte daher dort für Neubauten auch Wohnen zulassen - was dann auch in die aktuelle Senatspolitik der massiven Förderung von Wohnneubauten passen würde, heißt es in der Bezirkspolitik. Zudem liegt das Grundstück unmittelbar neben Ottensen, einem der derzeit begehrtesten Wohnstadtteilen Hamburgs. "Sogar ein Wohnhochhaus als Ersatz sei dort denkbar", heißt es hinter vorgehaltener Hand bei Bezirkspolitikern.

Offiziell ist man mit Äußerungen eher vorsichtig. "Wichtig ist für uns vor allem, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben", sagt SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Altona, Thomas Adrian.

Tatsächlich hatte Euler Hermes 2011 Schlagzeilen gemacht, als es um einen möglichen Stellenabbau in Hamburg ging. Man wolle den aber über die normale Fluktuation und ohne betriebsbedingte Kündigungen regeln, hieß es zuletzt aus dem Unternehmen. Tatsächlich besitzt der Kreditversicherer auch in der Nachbarschaft noch ein Grundstück, wo er ein neues Bürogebäude bauen könnte.

Die Anfragen der Hamburger Projektentwickler zum Hermes-Hochhaus werfen gleichzeitig ein Schlaglicht auf ein Areal in unmittelbarer Nachbarschaft, dessen Zukunft ebenfalls noch ungewiss ist: das Kolbenschmidt-Gelände an der Friedenallee. 2010 hatte die Kolbenschmidt AG dort ihre Produktion eingestellt und 180 Mitarbeiter entlassen - ein Teil der alten Hallen wird nun von Kleingewerbebetrieben genutzt, die dort nahe den immer teurer werdenen In-Stadtteilen Hamburgs eine günstige Nische gefunden haben, um noch günstig Räume mieten zu können. Eigentümerin der Immobilie ist der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall, der an guter Verwertbarkeit interessiert sein dürfte. Der Bezirk Altona aber setzt sich eher für eine Mischnutzung ein, wie SPD-Politiker Adrian sagt. Das 3,6 Hektar große Gelände mitten in der Stadt werde in Zukunft sicher kein Industriestandort mehr sein. Aber ebenso wenig dürfe es ein "Spekulationsobjekt für Wohneigentum der obersten Preisklasse" werden, so Adrian. Aktuell gehe es in den Hamburger Behörden um die Frage, wie viel Platz für Gewerbe und wie viel eventuell für neue Wohnhäuser es dort geben wird. In etwa einem Monat soll ein städtebaulicher Wettbewerb erste konkrete Vorschläge bringen. Allerdings: "Mit dem Hermes-Hochhaus könnte nun noch ein neues Fass dort aufgemacht werden", sagt SPD-Politiker Adrian. Wohl wahr. Beide Flächen zusammen sind immerhin etwa 50.000 Quadratmeter groß.

Mit dem kompletten Abriss eines Hochhauses in Hamburg wäre es im Übrigen nicht das erste Mal, dass man sich so von dieser oft geschmähten Architektur radikal verabschiedet. Das 1966 gebaute und einst 89 Meter hohe Iduna-Hochhaus am 'Millerntorplatz wurde 1995 gesprengt. Wegen zu hoher Asbestbelastung, so die Begründung damals. Anders erging es dem 1964 fertig gestellten Unilever-Hochhaus in der Neustadt - ebenfalls eine Art Monolith wie das Hermes-Hochhaus. Die Stadt stellte den komplett sanierten Bau sogar unter Denkmalschutz und ließ im Jahr 2011 eine Aufstockung des heutigen Emporio-Hochhauses um zwei Etagen auf jetzt 98 Meter zu.