Firmenchef Bert-Jan Knoef spricht im Abendblatt-Interview über Standort Hamburg, neue Gabelstaplermodelle und Kollegen aus Holland.

Hamburg. Weltneuheit bei Still: Der Maschinenbauer stellt am heutigen Dienstag zwei neue Gabelstaplertypen vor, deren Hybridantriebe besonders umweltfreundlich und sparsam sind. Das Abendblatt sprach mit dem niederländischen Chef des Hamburger Gabelstaplerbauers, Bert-Jan Knoef, über sichere Arbeitsplätze und neue Arbeitszeiten für das Hamburger Werk, die Ausbildung vor Ort, Chancen für junge Beschäftigte, einen Stammtisch für holländische Manager in der Hansestadt und seine Wünsche für Rafael und Sylvie van der Vaart.

Hamburger Abendblatt: Herr Knoef, die Zeit um den Jahreswechsel dürfte für Sie als Niederländer nicht leicht gewesen sein.

Bert-Jan Knoef: Wieso?

Weil der Fußballer Rafael van der Vaart und seine Frau Sylvie ihre Trennung bekannt gegeben haben.

Knoef: Ja, das tat mir für die beiden leid. Offensichtlich sind selbst Traumpaare nicht alle für die Ewigkeit. Immerhin wollen es die beiden ja nun noch einmal miteinander versuchen. Ich wünsche ihnen viel Glück dafür.

Sind Sie Fußballfan?

Knoef: Ich gucke Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Champions League. Wenn Deutschland gegen die Niederlande spielt, bin ich natürlich für Holland. Sonst halte ich zu den Deutschen. Für mich ist es gut, dass ich bei Meisterschaften immer zwei Mannschaften die Daumen drücken kann.

Gibt es in Hamburg inzwischen einen Stammtisch für niederländische Manager, um auch über solche Themen unter Landsleuten zu sprechen?

Knoef: Ja, wir nennen das Niederländische Tafelronde. Wir treffen uns jeden ersten Montag im Monat im Landhaus Scherrer. Unsere Gruppe hat etwa 40 Teilnehmer. Alles Niederländer, die in Hamburg arbeiten und wohnen. Wer Zeit hat, kommt. Gesprochen wird an diesen Abenden nur informell und zwar auf Holländisch.

Wie sind Ihre Erfahrungen als Niederländer an der Elbe?

Knoef: So positiv, dass ich mich als Hamburger fühle. Meine Familie und ich sind seit März 2005 in der Stadt und fühlen uns pudelwohl.

Auch bei Still läuft es ja derzeit gut für Sie. Immerhin gehören Sie jetzt auch zur Geschäftsführung der Muttergesellschaft Kion. Kann das Hamburger Werk davon profitieren?

Knoef:

Die Chefs der beiden wichtigsten Marken sind seit dem 11. Januar in die oberste Führungsebene der Kion Group eingebunden. Mein Kollege Theodor Maurer für Linde und ich treffen alle wichtigen Entscheidungen bei Kion mit. Das operative Geschäft erhält also mehr Gewicht. Das gilt auch für das Hamburger Werk.

Gleichzeitig hat das Werk jetzt den Auftrag zum Bau einer neuen Serie von Gabelstaplern erhalten. Sichert das die Arbeitsplätze in Hamburg oder fallen dafür andere Aufgaben weg?

Knoef: Für die beiden neuen Typen haben wir zwei Produktionslinien erneuert und allein im vergangenen Jahr in Summe für den Standort Hamburg einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. Zwar ersetzen die beiden Stapler ältere Modelle, aber sie sichern auch die 2100 Jobs in Hamburg. Das Werk hat schon von Verlagerungen aus Standorten in Italien, Frankreich, England und in Reutlingen profitiert. Dadurch sind in den letzten Jahren in Hamburg 200 Jobs entstanden. Alle Arbeitsplätze sind sicher. Wir suchen derzeit sogar rund 30 Ingenieure, Fachkräfte und Führungskräfte.

Worauf legen Kunden bei Gabelstaplern besonderen Wert?

Knoef: Es kommt nicht allein auf den Kaufpreis an. Wichtig sind vor allem die Kosten über die gesamte Nutzungszeit des Staplers. Dabei spielen ein hoher Umschlag, ein niedriger Verbrauch, geringe Wartungskosten und die Verfügbarkeit der Stapler eine wichtige Rolle.

Wie schaffen das Ihre neuen Stapler?

Knoef: Unsere neuen Produkte, RX 70-40/50 und RX 70-60/80, fahren mit dieselelektrischer Hybridtechnologie. Der Diesel treibt einen Generator an, sodass die Gabelstapler elektrisch fahren. Der Verbrauch der beiden Typen, die vier bis acht Tonnen heben können, liegt durchschnittlich zehn bis 30 Prozent unter dem Wettbewerb. Sämtliche von der EU vorgegebenen Werte für Stickoxide und Rußpartikel werden weit unterschritten. Durch den ruhigen Lauf des Motors fühlen sich die Fahrer wohl und können mehr umschlagen, wodurch sie eine höhere Produktivität erreichen. Der Preis der Fahrzeuge, der bei dem kleineren Stapler, je nach Ausstattung, bei rund 50.000 Euro liegt, zahlt sich so während der Einsatzdauer aus - zumal der Elektromotor faktisch wartungsfrei läuft. Die durchschnittliche Einsatzdauer bei Erstkunden liegt bei rund fünf Jahren.

Wenn Still so innovativ ist: Würden Sie jungen Menschen raten, dort eine Ausbildung zu beginnen?

Knoef: Definitiv. Der Maschinenbau ist eine Zukunftsbranche. Wir beliefern sowohl Handel und Hafen als auch sämtliche Industriezweige und Logistikunternehmen. Künftig werden die Aufgaben in der Logistik weiter steigen. Still entwickelt, produziert und verkauft nicht nur Fahrzeuge, wir bieten ebenfalls Software und den dazugehörigen Service. Wir decken also die gesamte Wertschöpfungskette ab. Dazu bieten wir eine Ausbildung, die schon mehrfach auch bundesweit ausgezeichnet wurde. Unsere Lehrlinge und auch die Studenten, die bei uns neben ihrem Studium ausgebildet werden, werden in der Regel übernommen. Derzeit lernen in Hamburg 80 junge Menschen bei uns. Langfristig soll das weiter ausgebaut werden.

Wie sieht die wirtschaftliche Lage aus?

Knoef: Das vergangene Jahr war nochmals besser als 2011. Damals hatte die Kion Group einen Umsatz von rund 4,4 Milliarden Euro und Still davon knapp 1,7 Milliarden Euro erzielt. Die Umsatzrendite von Kion lag bei mehr als acht Prozent. In den ersten neun Monaten 2012 stieg sie sogar auf mehr als neun Prozent. Genaue Zahlen wird Kion im Frühjahr mit dem Jahresabschluss vorstellen.

Wie wird 2013?

Knoef: Nur so viel: Die Stimmung in der Branche ist besser als zuvor erwartet.

Woher kommt das Wachstum?

Knoef: Aus klassischen Wachstumsmärkten in Osteuropa, Asien und Südamerika. Vor allem aber aus China, wo inzwischen jeder vierte Gabelstapler weltweit verkauft wird. Der Bedarf hat sich dort in den letzten zehn Jahren verneunfacht. Zum Vergleich: Werden in China derzeit annähernd 250.000 Fahrzeuge pro Jahr und damit fast jedes vierte abgesetzt, waren es 2011 in Deutschland rund 76.000. Kion profitiert von der Entwicklung in China. Zum einen haben wir dort ein eigenes Werk und zum anderen mit Weichai Power einen Partner, der sich mit 25 Prozent an Kion beteiligt hat und uns noch besseren lokalen Marktzugang verschaffen soll. Für Südamerika haben wir ein neues Werk in der Nähe von São Paulo eröffnet. Auch aus Hamburg gehen Teile, Komponenten und komplette Stapler nach Asien und Südamerika.

Der Still-Betriebsrat fordert ein neues Arbeitszeitmodell, in dem flexible Arbeitszeiten den Einsatz von Zeitarbeitern weitgehend ablösen sollen. Wie weit sind die Gespräche?

Knoef: Sie dauern noch an. Wir wollen in den nächsten Monaten einen Abschluss erzielen. Ziel ist es, durch flexible Arbeitszeiten auf Zeitarbeit weitgehend verzichten zu können. Wir verhandeln derzeit darüber, wie wir die Arbeitszeit variabler gestalten können durch den Einsatz von erweiterten Zeitkonten, um so eine hohe Flexibilität zu erreichen und sowohl in Spitzenzeiten als auch ruhigeren Phasen besser reagieren zu können.

Vor knapp einem Jahr hat Still mit dem Elektroautohändler Karabag vereinbart, dass die 800 Still-Service-Stationen in Deutschland auch für Autos genutzt werden können. Was erhofft sich Still davon?

Knoef: Wir sammeln Erfahrungen mit der Elektromobilität und positionieren uns für ein neues Geschäftsfeld. Gerade im städtischen Verkehr sehen wir für Elektroautos gute Perspektiven. Hat ein Autofahrer Probleme, kann über ein Callcenter der nächste Still-Betrieb informiert werden. Von dort kommen dann Techniker, um zu helfen.

Herr Knoef, Ihr Vertrag wurde im April bis Ende März 2017 verlängert. Wie soll Still zu diesem Zeitpunkt insgesamt aufgestellt sein?

Knoef: Wir wollen unsere Position in Asien und Südamerika weiter verbessern, und auch in Europa wollen wir unsere Position stärken und weiter ausbauen. Für Still kommt es darauf an, flexibel auf wirtschaftliche Zyklen reagieren zu können, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und bei den Innovationen die Nase vorn zu behalten.

Und was machen Sie persönlich vom Frühjahr 2017 an?

Knoef: Mein Ziel ist es, auch dann noch in Hamburg an meinem Schreibtisch als Vorsitzender der Still-Geschäftsführung zu sitzen. Die Nähe zum operativen Geschäft macht mir viel Spaß und meine Familie will ohnehin nicht mehr weg aus Hamburg.