Die Villa Luna ist bis 22 Uhr geöffnet, das Rundum-sorglos-Paket kostet 1700 Euro pro Monat. Kritiker sprechen von Elitenbildung.

Hamburg. Es ist die klassische Zerreißprobe berufstätiger Eltern. Die Konferenz will nicht enden, der Chef braucht den Bericht heute noch - und in der Kita sitzt ein Kind, das dringend abgeholt werden muss. Irgendwann spürt jeder Elternteil den Druck. Es ist ein Druck, den die Mutter von Christiana und der Vater von Ela nicht mehr haben. In der exklusivsten Kita der Stadt genügt ein Anruf, und das Kind kann länger bleiben. Notfalls betreut die Villa Luna in Winterhude bis 22 Uhr.

Mit extrem flexiblen Öffnungszeiten, Wochenenddienst, Rundum-sorglos-Angeboten und bei Bedarf auch Fahrservice drängt die Edelherberge auf den hiesigen Kita-Markt. Die Betreiber wollen die Zwangslage berufstätiger Eltern beenden, wenn unregelmäßige Feierabendzeiten zum Job gehören. Und Eltern bereit sind, einen hohen Preis für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu zahlen.

In Hamburgs wohl innovativster und teuerster Kita zahlt man bis zu 1700 Euro für einen Platz. Monatlich. Klar, dass die Ausstattung vom Feinsten ist, auch vor dem Haus. Auf dem Spielplatz in der City Nord bilden Holzgeräte einen Kontrast zu den Bürohochhäusern. Nur Christiana, Ela und Leonard spielen heute vor der Kita. Betreut werden sie von Audrey, die als sogenannter native speaker ausschließlich Englisch mit den Kindern spricht. Die Villa Luna hat im Oktober eröffnet, neun von 75 Plätzen sind derzeit erst belegt - das dürfte allerdings nicht an den Kosten liegen, sondern daran, dass sich die Existenz der Luxus-Kita unter den Besserverdienenden noch nicht herumgesprochen hat.

Kita-Leiterin Jessica Latzenberger ist aber zuversichtlich, dass sich das schnell ändern wird. "Kinderbetreuung ist bei berufstätigen Frauen ein Riesenthema", sagt sie. "Wir treffen den Zeitgeist. In spätestens einem Jahr sind wir ausgebucht." Die anderen sechs Standorte der Villa Luna GmbH, darunter drei in Düsseldorf und einer in Prag, werden überrannt. Eröffnungen in acht deutschen Städten sind geplant.

In Hamburg sind 700 Quadratmeter angemietet - in einem Anbau des neu sanierten Allianz-Gebäudes am Kapstadtring. Oberstes Gebot ist, dass die Kinder sich wohlfühlen. Die Gruppenräume sind hell und großzügig. Auf verschiedenen Ebenen können die Kleinen spielen und kuscheln, bauen, malen und basteln. Zum Schlafen geht's in den Ruheraum, wo kleine Korbbetten und bunte Matratzen unter blauen Baldachinen stehen. Gegessen wird im Kinderrestaurant. Frühstück, Mittag und Nachmittagssnacks - alles Bio und Vollwert - bereiten Hauswirtschaftskräfte zu. Besonders angesagt ist das große Badezimmer, auch Nass-Atelier genannt. Hier gibt es Miniatur-Toiletten in kleinen Kabinen und große Spiegel.

Vor einem steht Mathilda und bemalt sich hingebungsvoll mit Körperfarbe: Arme rosa, Beine blau und die Füße grün. Das längliche Waschbecken hat Wasserhähne mit lustigen Gesichtern und ein Gefälle, das man mit einer Art Schleuse aus durchlöchertem Plexiglas verschließen kann. Spaß scheint in der Villa Luna selbst beim Händewaschen garantiert - und was nicht abgeht, wird unter der Regendusche abgespült.

Bei so viel Extravaganz lassen Kritiker nicht lange auf sich warten. Zumal Fünf-Sterne-Kitas in Deutschland keine Ausnahme mehr sind. Martin Peters, Referent für frühkindliche Bildung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, nennt die zunehmende Zahl der Nobel-Kitas eine "unglückliche Entwicklung". Er hat die Sorge, dass einer Zweiklassengesellschaft Vorschub geleistet wird. "Eltern, die es sich leisten können, kaufen sich Zeit und Personal. Dabei separieren sie ihre Kinder in einem goldenen Käfig." Sowohl der Nachwuchs von sozial Schwächeren als auch der von Privilegierten verliere ein Stück Unvoreingenommenheit, ob es Kindern dabei besser gehe, sei fraglich. Das Leben in Edel-Kita und Privatschule sei vielleicht behütet, spiegele aber nur einen begrenzten Teil der Lebenswirklichkeit.

Auch Franziska Larrá, pädagogische Geschäftsführerin der Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas, ist skeptisch. Sie sieht in der Villa Luna zwar keine Konkurrenz, es handele sich um ein "Nischenangebot". Dennoch fürchtet sie um die Chancengleichheit von Kleinkindern, spricht von der Gefahr der Segregation, der Trennung nach sozialer Herkunft. "Das ist Elitenbildung im frühkindlichen Stadium." Dabei biete das Hamburger Kita-Gutschein-System nahezu jedem Kind ein neigungsgerechtes Angebot.

Für Jessica Latzenberger liegt der Vorteil der Villa Luna nicht nur im Open-End-Service, sondern auch im Personalschlüssel. "Bei uns kümmern sich im Krippenbereich drei Pädagogen um zehn, im Elementarbereich vier Pädagogen um 20 Kinder." In Hamburger Gutschein-Kitas werden entsprechend große Gruppen von jeweils zwei Fachkräften betreut. Die Luxusbetreuung hat ihren Preis, von 825 Euro (sechs Stunden im Elementarbereich) bis 1695 Euro (zwölf Stunden Krippe, Kinder unter 15 Monate alt). Aber die Eltern täten es gern, sagt Jessica Latzenberger. "Wenn man Kinder bekommt, verschieben sich die Prioritäten. Statt teure Urlaubsreisen zu unternehmen oder ein Luxusauto zu fahren, investieren viele Eltern dann lieber in die Betreuung und Bildung ihrer Kinder." Das pädagogische Angebot der Villa Luna umfasse auch Musik-, Sport- und Schwimmunterricht. "Das", sagt die Kita-Leiterin, "erspart den Familien Freizeitstress und zusätzliche Kosten." Allerdings werde kein Kind gedrängt.

Für Jens Kastner von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft tragen Kitas wie die Villa Luna zu einer Form der Überbehütung bei. "In Watte gepackten Kindern entgeht eine ganze Lebenswelt", sagt er. Sie würden von realen Einflüssen ferngehalten. Dennoch habe die Villa Luna ihre Daseinsberechtigung. Denn in vielen anderen Kitas gebe es nun mal einen für Eltern beunruhigenden Fachkräftemangel.

Dass die Nobel-Kita in einem Büroviertel liegt, ist kein Zufall. Mit ihrem Konzept wirbt sie verstärkt bei Unternehmen. "Wir hoffen, dass künftig mehr Firmen ihren Mitarbeitern Kita-Kontingente einbuchen, statt ihnen iPads oder Firmenwagen zu stellen", sagt Stefanie Vieira, die bei Villa Luna die Unternehmensentwicklung Nord leitet. Von einem hochwertigen Kinderbetreuungsangebot würden auch die Unternehmen profitieren: Sie könnten qualifizierte Mitarbeiterinnen halten.