Die Kette Balzac brachte 1998 die Kaffeebars nach Hamburg. Doch nun ist das Wachstum vorbei. Mehrere Filialen wurden geschlossen.

Hamburg. Es war eine echte Pionierleistung, die eine junge Betriebswirtin namens Vanessa Kullmann vor fast 15 Jahren in Hamburg vollbrachte. An der Großen Theaterstraße eröffnete sie ein kleines Geschäft, in dem so seltsame Dinge wie Latte macchiato oder andere Espresso-Spezialitäten in Pappbechern mit Plastikdeckel zu bekommen waren. Das Konzept dafür hatte sich die Frau mit den langen braunen Haaren in Amerika bei der Kette Starbucks abgeschaut, die damals kaum jemand in Deutschland kannte.

Der unscheinbare Laden war der Beginn des Coffeeshop-Booms in der Hansestadt und der Grundstein für die Hamburger Kette Balzac, für deren rasanten Aufstieg die Gründerin in den folgenden Jahren zahlreiche Preise und Ehrungen einheimste.

Doch Vanessa Kullmann, die heute mit Nachnamen Khaja heißt, hat sich längst aus dem aktiven Geschäft bei Balzac zurückgezogen. Mitte 2011 verkaufte sie den größten Teil des Unternehmens, das zum selben Zeitpunkt mit dem Konkurrenten World Coffee fusionierte. Zusammen wollten die Ketten durchstarten und neue Kaffeebars in Shoppingcentern oder Buchhandlungen aufmachen. Passiert ist seitdem wenig. Tatsächlich ist Balzac seit der Fusion nicht weiter gewachsen, sondern geschrumpft. Von den 57 Filialen Mitte 2011 sind heute nur noch 50 übrig, wie Geschäftsführerin Anne Koopmann dem Abendblatt sagte, die das Unternehmen jetzt zusammen mit ihrem Kollegen Christian Schwake leitet.

Geschlossen wurde unter anderem das Stammhaus an der Großen Theaterstraße, in der einst die ersten Kaffeespezialitäten ausgeschenkt wurden. Stattdessen werden dort heute rahmengenähte Schuhe zu Schnäppchenpreisen verkauft. Die Balzac-Filiale biss sich offenbar zu sehr mit einem direkt gegenüberliegenden größeren Coffeeshop der Kette. Darüber hinaus machte das Unternehmen Ende vergangenen Jahres auch zwei Kaffeebars in der Nähe des Rathauses und an der Lüneburger Straße in Harburg dicht, wo der Mietvertrag ausgelaufen war. Auch in Köln wurde eine Kaffeebar geschlossen. Ersatz für diese Filialen ist nach Angaben der Geschäftsführung erst einmal nicht geplant.

Wenig ist bislang auch von einem gemeinsamen Konzept für die beiden Marken Balzac und World Coffee zu spüren. Nach wie vor gibt es keinen gemeinsamen Markenauftritt, die Läden laufen nebeneinander her, ebenso wie die Internetseiten. Zum bisherigen Verlauf der Fusion will sich Geschäftsführerin Koopmann lieber nicht äußern, ebenso wenig zu Umsatzzahlen oder der Frage, ob Balzac noch einen Gewinn erwirtschaftet. Dies alles müsse mit den Gesellschaftern abgestimmt werden. Wer die sind? Kein Kommentar.

Tatsache ist, dass das Geschäft für Balzac in den vergangenen Jahren nicht gerade einfacher geworden ist. Jeder Bäcker verkauft mittlerweile die unterschiedlichsten Kaffeespezialitäten, der Fast-Food-Konzern McDonald's hat sich zum unangefochtenen Branchenprimus entwickelt - einfach indem er seine McCafé genannten Kaffeebars an die bestehenden Restaurants andockte.

Zu allem Überfluss überzieht mittlerweile auch das US-Original Starbucks die Bundesrepublik mit seinen Filialen. Die Amerikaner hatten sich aus Respekt vor dem schwierigen deutschen Markt zwar lange zurückgehalten und gingen hierzulande erst 2002 mit einer eher verunglückten Kooperation mit Karstadt an den Start.

Mittlerweile kommt Starbucks aber auf 160 sogenannte Coffeehouses in Deutschland, zehn kamen im vergangenen Jahr hinzu, nur eines wurde geschlossen. In Hamburg rangiert Starbucks mit 15 Filialen nun schon vor der Marke Balzac (14), das jüngste Geschäft ging Ende 2012 im Hauptbahnhof an den Start. Dabei scheuen die Amerikaner offenbar auch keine hohen Mieten, um sich besonders gute Lagen am Neuen Jungfernstieg oder am Mönckebergbrunnen zu sichern. "An einem weiteren Wachstum im Großraum Hamburg sind wir sehr interessiert", sagt Deutschlandsprecherin Yenia Zaba.

Bei Starbucks finden sich auch jene Innovationen, an denen es Balzac Coffee seit Jahren mangelt. So haben die Amerikaner gerade eine aufladbare Kundenkarte eingeführt, mit der Kaffeesüchtigen ihre Lieblingsdroge auch gleich bezahlen und dabei Rabattpunkte sammeln können. Ein Programm für die immer beliebter werdenden Smartphones zeigt zudem den Weg in die nächste Kaffeebar.

Andere Unternehmen wie Campus Suite mit Sitz in Kiel und Hamburg expandieren ebenfalls weiter und verfügen mittlerweile über ein Netz von 13 Filialen in der Hansestadt. Um sich vom Rest der Kaffeehäuser abzusetzen, setzt die Firma der Brüder Frank und Leonard Stebisch auf ein breites Essensangebot wie Suppen oder einfache Pastagerichte.

"Grundsätzlich ist der Coffeeshop-Markt heute deutlich härter und schwieriger geworden als noch vor fünf bis sechs Jahren", sagt die Branchenexpertin Gretel Weiß, die unter anderem die Fachzeitschrift Foodservice herausgibt. Die Wachstumsraten der Vorjahre seien für kaum ein Unternehmen noch erreichbar. Dennoch gebe es durchaus noch Potenzial für neue Coffeeshops in Deutschland. Verglichen mit Großbritannien, wo die größten Ketten etwa 1000 Kaffeebars mehr als in der Bundesrepublik betreiben würden, sei noch eine Menge Luft nach oben vorhanden.

Balzac-Gründerin Vanessa Khaja dürften die Kämpfe auf dem deutschen Coffeeshop-Markt heute freilich kaum noch kümmern. Zusammen mit ihrem Mann, dem Fotografen Jameel Khaja soll sie mittlerweile in New York leben. Ihren Kaffee dürfte sie dort bei Starbucks trinken.