Der Diplom-Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen an TU Harburg läuft Ende März aus. Die Studierenden fühlen sich zu kurzfristig informiert.

Hamburg. Mehr als 230 Studenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) bangen um ihr Diplom - nicht, weil sie sich nicht gut auf die Prüfungen vorbereitet haben, sondern weil die TU Harburg die Studenten kurz vor dem Abschluss exmatrikulieren will.

Es geht um den hochschulübergreifenden Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen (HWI). Dieser soll, wie neun weitere Ingenieur-Studiengänge in Harburg, im Zuge der Umstellung auf Bachelor- und Master-Examen mit Ende des Wintersemesters 2012/13 auslaufen. Das wussten auch die Studenten. "Uns war aber immer gesagt worden, dass wir alle das Studium unter bestimmten Bedingungen dennoch abschließen können", sagt Benjamin Lübbke. Er studiert im 13. Semester, was für den Studiengang nicht außergewöhnlich sei. Im Frühjahr plant der 27-Jährige das Pflichtpraktikum, danach schreibt er seine Diplomarbeit. Aber wie soll das gehen, wenn man keinen Studentenstatus mehr hat?

Ende September hatten er und seine Kommilitonen ein Schreiben der TUHH im Briefkasten: "Gemäß den Beschlüssen der zuständigen Hochschulgremien sowie durch Genehmigung der zuständigen Behörde am 27. November 2011 wird der von Ihnen belegte Studiengang zum 31. März 2013 eingestellt. Durch die Einstellung des Studiengangs endet Ihr Studierendenstatus mit Ablauf des 31. März 2013", heißt es darin schnörkellos. Für die Studenten ein Schock. "Das Problem ist, dass mit der Exmatrikulierung rechtlich kein Prüfungsanspruch mehr besteht", sagt Janice Behnke.

Auch sie gehört zum letzten Diplom-Durchlauf, 2006 hatte sie ihr Studium aufgenommen - und gilt inzwischen als Langzeitstudentin. "Tatsächlich liegt der Schnitt aber bei 14 Semestern", betont die 28-Jährige. Ihre persönliche Studienplanung hatte sie so organisiert, dass sie im April 2014 fertig wäre. "Soll jetzt alles umsonst gewesen sein?", fragt sich die angehende Wirtschaftsingenieurin. Mit der Exmatrikulation gingen zudem weitere Probleme einher. So würden Studenten ihre Jobs verlieren, da diese zu einem großen Teil an den Studentenstatus gebunden seien. Ebenso wie BAföG, die Krankenversicherung oder - für ausländische Studierende - die Aufenthaltsgenehmigung. Zudem entfallen zahlreiche Vergünstigungen, etwa für den HVV.

Janice Behnke hat in einem Schreiben an die TUHH auf diese Probleme aufmerksam gemacht. Die Antwort ist kurz und klar: "Aufgrund der rechtlichen Vorgaben ist es nicht möglich, weiterhin in einem eingestellten Studiengang immatrikuliert zu sein. Es liegt nicht im Ermessen der TUHH, von diesem Grundsatz abzuweichen."

Die Hochschule verwies zudem darauf, dass die Studenten über die bevorstehende Exmatrikulierung mehrfach informiert worden seien. Grundlage für die Terminierung sei die Regelstudienzeit von neun Semestern plus vier Semester gewesen, so eine Sprecherin. Allen, die nicht in dieser Zeit fertig würden, hatte der Studierendenservice in dem Schreiben geraten, sich beim zuständigen Prüfungsamt über Alternativen zu informieren.

Anders haben die Lage jedoch offenbar die beiden anderen HWI-Kooperationspartner, die Universität Hamburg und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), eingeschätzt. So exmatrikuliert die Uni Hamburg Diplom-Studenten nach Angaben einer Sprecherin nicht, bevor sie fertig sind. Damit hatten auch die HWI-Studenten gerechnet. "Die Professoren an der HAW haben uns immer gesagt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen und nicht rausgeschmissen werden können", sagt Benjamin Lübbke, der als studentischer Vertreter in der Gemeinsamen Kommission, dem Organisationsgremium des Studiengangs, sitzt.

"Es geht um ein Jahr mehr", sagt er. "Bis April 2014 wären die meisten mit dem Studium fertig." Deshalb müsse, so die Forderung der Studenten, die Exmatrikulation ausgesetzt und die Frist bis zum Ende des Wintersemesters 2013/14 verlängert werden. Das hatte auch die Gemeinsame Kommission auf ihrer Dezember-Sitzung empfohlen - allerdings ohne Vertreter der TUHH, die nicht erschienen waren. An diesem Mittwoch ist ein weiteres Treffen anberaumt. Auch die Wissenschaftsbehörde ist informiert. "Für die, die in absehbarer Zeit einen Studienabschluss erreichen können, sollte es eine Lösung geben", sagt ein Sprecher von Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD).

Die Studenten haben angekündigt, dass sie gegen die Exmatrikulationen auch rechtlich vorgehen würden. "Es gab bereits ähnliche Fälle", sagt Rechtsanwalt Alexander Münch von der Kanzlei Hansen & Münch, die sich auf Hochschulrecht spezialisiert hat. Die Option, in einen Bachelor-Studiengang zu wechseln, ist laut Diplom-Studenten keine Alternative. "Das würde bedeuten, dass wir noch zwei zusätzliche Jahre studieren müssen."