Immer mehr Menschen kaufen sich Laufbänder, Ergometer und Rudergeräte fürs Sporttraining zu Hause. Hersteller melden Zuwachs.

Hamburg. Auf dem Monitor des Laufbandes erscheint ein idyllischer Waldweg, rechts und links ragen Kiefern und Eichen ins Bild. Je schneller man läuft, d8esto rascher erscheinen neue Landschaften, und hier und da springen Fußgänger an den Wegesrand, um dem Sportler freie Bahn zu machen. Solche gefilmten Laufstrecken sollen den Fitnessfans das Joggen im heimischen Wohnzimmer oder im Fitnessstudio etwas schmackhafter machen und helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden. Auf dem neuesten Ergometer von Kettler werden auch die Lieblingsgerichte angezeigt, die bei der Trainingseinheit verbrannt werden können. Ein Burger, ein Bier oder was immer der Sportler am liebsten an Kaloriensünden wegtrainieren möchte.

Auch wenn sich mancher Freiluftfreund fragen wird, warum man die Natur auf dem Monitor simuliert und auf dem Laufband das Joggen nur nachahmt, anstatt einfach draußen vor der Haustür loszulaufen, ist der Trend zum Indoor-Sport eindeutig. Die Fitnessstudios begrüßen immer neue Mitglieder, die sich in Cycling- oder Zumbakursen verausgaben. Und über noch größere Nachfragezuwächse freuen sich Anbieter von luxuriösen Ergometern oder Crosstrainern: Immer mehr Menschen statten ihr Wohnzimmer oder das (Wellness-)Bad mit einer Fitnesseinrichtung aus. "Viele Leute wollen die Zeiten, in denen sie trainieren, selber bestimmen und unabhängig sein", sagt Christian Grau. Der baumlange Geschäftsführer und Inhaber der Sportkette Tiedje, dem die Vergangenheit als Basketballer noch gut anzusehen ist, steht in seinem Sportfachgeschäft in Altona zwischen Dutzenden der Trainingsgeräte, die manchem schon beim bloßen Anblick den Schweiß auf die Stirn treiben. Kraftbänke, Punchingbälle, Trampoline und natürlich die Ergometer und Laufbänder, welche wie im Fitnessstudio an den Fenstern aufgereiht sind, stehen in dem Geschäft zum Ausprobieren und Kaufen bereit.

Während hier früher hauptsächlich Betreiber von professionellen Sporteinrichtungen einkauften, investieren heute immer mehr Privatkunden - auch in die Profi-Geräte. "Ein Ergometer oder Rudergerät kann heute selbst im Wohnzimmer ein interessanter Hingucker sein, das Design spielt eine zunehmend wichtige Rolle", sagt Christian Grau, der auch Sonderwünsche erfüllen kann: Ein russischer Oligarch bestellte bei ihm bereits eine komplette Fitnessausstattung für mehrere Wohnsitze und Yachten, andere Luxuseinrichtungen gingen an Botschaften in aller Welt, selbst Zusammenkünfte von Spitzenpolitikern stattet Sport Tiedje aus. Das Unternehmen mit Sitz in Schleswig ist europaweit Marktführer in der Branche. Mehr als 6000 Produkte bietet der Händler an, im Internet und zum Anfassen und Ausprobieren in weiteren elf Filialen, neben dem Geschäft in Hamburg. Die Bestseller in den vergangenen Monaten waren Crosstrainer (17 Prozent vom Umsatz), Ergometer (14 Prozent), Laufbänder (zwölf Prozent), Rudergeräte und Kraftstationen (je acht Prozent). Die Zielgruppe ist breit: Sie reicht vom Olympia-Leistungssportler bis zum Senior-Freizeitsportler. Es sind Menschen aus allen Altersgruppen, die sich fit und gesund halten, aber auch diejenigen, die aktiv an ihrem Körper arbeiten, ihre Kondition und Beweglichkeit verbessern, mit Krafttraining Muskelgruppen definieren oder mit Ausdauertraining abnehmen wollen, beschreibt Grau die Käufer der Geräte, die längst ihr Muckibuden-Image abgelegt haben. Dabei birgt auch die demografische Entwicklung Chancen: Ältere Menschen wollen länger fit bleiben und kaufen dafür auch Geräte, die sie zu Hause nutzen können.

Auch andere große Player im Sportbereich berichten vom Trend zur Heimfitness. "Wir haben die Verkäufe an Privatkunden in den vergangenen Jahren jeweils um 15 bis 25 Prozent gesteigert", sagt Oliver Thoben von Technogym, einem Hersteller von Fitnessgeräten im mittleren bis oberen Preissegment. Hier kann ein Laufband auch schon einmal 15.000 Euro kosten. Solche Luxusgeräte vertreibt Technogym an vermögende Kunden meistens über Personaltrainer oder Architekten, die schon bei der Planung darauf achten, dass der Hausherr sich später in seiner privaten Wellnessoase entspannen und stählen kann. Die ungewöhnlichsten Wünsche würden in Dubai und Osteuropa an Technogym herangetragen, verrät Thoben, da muss es auch schon mal ein Gerät in Blattgoldoptik passend zu den goldenen Wasserhähnen sein.

Wem solche Extravaganzen nicht so wichtig oder zu teuer sind, greift meist zu Kettler. Der Marktführer im Heimsportbereich in Deutschland bietet ein Ergometer bereits ab 250 Euro an. Allerdings spürt auch der traditionsreiche Hersteller, dass die Kunden anspruchsvoller werden. "Im niedrigen Preisbereich stagnieren unsere Verkäufe, bei teureren Geräten haben wir Zuwächse von zehn bis 15 Prozent", sagt Pascal Schweizer, Leiter Sport bei Kettler. Die "Geiz ist geil"-Zeiten seien offenbar vorüber, ein Trend, der erfreulicherweise auch die Arbeitsplätze der 1200 Beschäftigten in der Kettler-Produktion im Sauerland sichere. Andererseits: Rund 20 Prozent der besonders billigen Geräte kommen inzwischen nicht mehr von Markenherstellern wie Kettler, sondern werden als Aktionsware von Aldi, Lidl oder Tchibo verkauft.

Neben dem Wunsch, sich in den eigenen vier Wänden zu bewegen, hält der Trend zum gemeinsamen Schwitzen an. Denn auch die Fitnessstudios können weiterhin ihre Mitglieder begeistern, ergab eine Studie der Beratung Deloitte. Demnach ist der weitaus überwiegende Teil der Fitnessstudios mit seiner finanziellen Lage zufrieden, weniger als zehn Prozent beurteilen die Situation als schlecht. 69 Prozent der Einzel- und 78 Prozent der Kettenbetreiber gehen davon aus, dass sich ihre eigene wirtschaftliche Situation in den kommenden Monaten sogar noch verbessern wird. Nach der Marktstudie sind mehr als zehn Prozent der Hamburger derzeit Mitglieder in einem Fitnessclub. Pro Einwohner gerechnet bietet Hamburg seinen Bürgern auch weit überdurchschnittlich viele Fitnessstudios, mehr bietet nur der Spitzenreiter Bremen, und auf Platz zwei folgt Berlin. Schlusslichter sind die ostdeutschen Länder. Insgesamt stehen in Hamburg 123 Anlagen im Wettbewerb um die Kunden. Im Schnitt zählen sie 1711 Mitglieder, das liegt weit über dem Durchschnitt der Bundesrepublik. Dieser Andrang bringt wahrscheinlich auch mit sich, dass die Feierabendfitness zu einigem Gedränge führt und längst nicht immer das Lieblingslaufband frei ist. Wieder ein Argument für ein kleines privates Fitnessstudio.

Und Langeweile beim einsamen Training muss hier mit den modernen Geräten auch nicht aufkommen. Nicht nur die Laufbänder mit ihren virtuellen Strecken, sondern auch die Rudergeräte bieten einige ausgefallene Spielereien: So kann der Ruderer mit seinem Krafteinsatz einen Heißluftballon auf dem Monitor steuern, oder er wählt ein Fischspiel, bei dem die Meeresbewohner abhängig vom Rudertempo oben oder unten schwimmen.