Das Ende des Freihafens eröffnet der Stadt neue Chancen. Sie muss sie behutsam nutzen

Die Wintersonne schien wieder einmal, die Luft war klar, der Blick auf die Stadt fantastisch: Vielleicht ist ja manchem Besucher beim offiziellen Auftakt des Zollzaunabrisses am Wochenende erst durch dieses freundliche Wetter klar geworden, welch ein städtebauliches Juwel hier mit dem Spreehafen noch im Hafen zu heben ist. Fast so groß wie die Binnenalster ist das abgelegene Hafenbecken: eine riesige Wasserfläche mit einigen Hausbooten, kleine Hafenbetrieben und der Skyline von Hamburg im Hintergrund.

Mehr als 100 Jahre war dieses Areal durch den Freihafenzaun von der Stadt abgetrennt. Nun ist es wieder zugänglich - und beflügelt die Fantasie der Planer. "Wo hat man so etwas noch?", schwärmte Oberbaudirektor Jörn Walter. Jener Walter, der vor einigen Jahren noch von der ästhetischen Qualität einer Hochautobahn sprach, die dort als Hafenquerspange quer über den Spreehafen geführt werden sollte.

Diese Planung ist aus Kostengründen und wohl auch wegen des erfolgreichen Widerstands in der Wilhelmsburger Bevölkerung vom Tisch. Mit dem Ende des Freihafenstatus zeigen sich an der Nahtstelle zwischen Stadt und Hafen nun neue Möglichkeiten auf, die es mit dem Bau einer solchen gigantischen Straße nicht gegeben hätte. Freizeit, Hausboote, Gastronomie - so etwas gehört nun zu den Visionen des Oberbaudirektors.

Eine Vision, die der Stadt viele Chancen bietet. Wie ein schwerer Riegel trennte seit 124 Jahren der Freihafen mit seinem Zaun und den wenigen Durchlässen Süden und Norden des heutigen Hamburgs. Seit 1. Januar ist das Geschichte, die Zollgrenze gibt es nicht mehr. Und Hamburg gewinnt über das Hafengebiet seine Planungssouveränität zurück.

Am Spreehafen wird sich nun zeigen, wie es gelingen kann, Stadt und Hafen harmonisch zu verbinden. Denn eines ist auch klar: So schön der Spreehafen ist, so wundervoll der Blick von anderen Hafenarealen auf Hamburg auch sein mag - der Hafen muss auch seinen Platz behalten, soll er weiter Jobmotor bleiben.

Ideal wäre also eine Art Doppelfunktion aus Gewerbe- und Freizeitgebiet: Am Spreehafen könnte man diese Doppelnutzung schaffen. Das Südufer direkt im Anschluss an die Wohngebiete von der Veddel und Wilhelmsburg könnte man mit Pontons, Hausbooten und schwimmenden Restaurants beleben. Die Flächen gegenüber blieben Betrieben vorbehalten, die auf einen Wasserzugang angewiesen sind.

Aber es ist nicht nur der Spreehafen, der nun verstärkt ins Blickfeld der Stadtplaner geraten wird: Die Fläche des Überseezentrums an den Norderelbbrücken oder auch die Uferzonen auf Steinwerder direkt gegenüber den Landungsbrücken wecken schon länger Begehrlichkeiten. Auf Steinwerder gibt es bereits ein Musicalgebäude.

Mit dem Ende des Freihafens hat sich nun auch dieser Teil des Hafens geöffnet für neue Visionen. Sicher hat die Vorstellung einen großen Reiz, dort eine Art Brückenschlag hinzubekommen. Zumal die Wasserseite heute eine begehrte Lage beim Bauen ist, während sie vor Jahrzehnten noch als Rückseite galt, wo gearbeitet wird, wo es Schmutz gibt.

Allerdings müssen die Stadtplaner auch aufpassen, dass der Hafen als Umschlagplatz nicht aus dem Stadtbild verschwindet. Hamburg hat da mit der engen Verzahnung sicher eine schwierigere Gemengelage als Städte, die ihre Seehäfen längst komplett in weit abgelegene Industriegebiete verlagert haben. Doch dieser wohl einmalige Mix aus Großstadt und Hafen macht auch den ungeheuren Reiz dieser Stadt aus. Ziel bei allen neuen Plänen nach Abriss des Zollzauns sollte daher nie ein "Entweder-oder" sein, sondern besser ein "Sowohl-als-auch".