Im Streit's Haus ziehen mit dem Kino drei Läden aus, darunter auch Hamburgs letztes inhabergeführtes Geschäft für Messer und Scheren.

Hamburg. Und wieder schließt ein Traditionsladen mitten in der City. Diesmal hat es das letzte inhabergeführte Fachgeschäft für Stahlwaren in Hamburg erwischt: Emil Jeand'Heur, seit 1905 im Streit's Haus am Jungfernstieg. Der 25 Quadratmeter kleine Laden war der erste, der in die Ladenzeile des damaligen Streit's Hotels einzog.

"Ende März müssen wir raus", sagen die Geschäftsinhaber, die Brüder Dieter und Peter Böhm-Rupprecht, 65 und 67 Jahre alt. Sie wussten schon früh, dass mit dem Aus für das Streit's-Kino im März auch für sie und zwei Nachbargeschäfte Schluss sein wird. Übel nehmen sie das den Eigentümern der Immobilie, Peter Reimers und seinem Sohn Christoph, aber nicht. "Das sind faire Geschäftsleute, die durchaus Interesse an einem Geschäft wie unserem hatten", sagen sie. Ihre Miete sei nie sprunghaft erhöht worden, und seit ihr Mietvertrag in den vergangenen Jahren immer nur kurzfristig verlängert wurde, gar nicht mehr. "Die ganze Geschichte ist halt der Lauf der Zeit."

Den Laden hatte ihre Großmutter gegen Ende des Ersten Weltkrieges vom Gründer übernommen, als dieser nach Frankreich zurückkehrte. Die Brüder führen ihn mittlerweile in dritter Generation - immer noch unter dem Namen "Emil Jeand'Heur Nachfolger".

Vier weitere Filialen für Stahlwaren hatte die Familie aufgebaut: in Wandsbek und Blankenese, am Großen Burstah und auf der Reeperbahn. Wegen mangelnder Nachfrage mussten sie nach und nach geschlossen werden. "Das typische Einzelhandelssterben in den Randgebieten", sagt Dieter Böhm-Rupprecht. Er steht hinter dem Tresen des kleinen Ladens. Um ihn herum in den Auslagen und im Glastresen funkelt der Stahl scharfer Küchenmesser und präziser Scheren, hochwertiger Taschenmesser und edler Manikür- und Rasiersets. Das lockt seit vielen Jahren hauptsächlich Touristen aus dem Ausland an: Stahlwaren aus Deutschland sind beliebte Mitbringsel. "Wir haben Stammkunden aus Südamerika, die alle drei Jahre mit einer Auftragsliste aus ihrem Bekanntenkreis kommen", sagen die Böhm-Rupprechts.

Wegen seiner Solinger Schneidwerkzeuge und Zwillings-Messer besitze Jeand'Heur einen "ideellen Wert", sagt Bernd Reichhardt, Cityexperte bei der Handelskammer. Es sei ein Verlust, wenn das Geschäft komplett aufgegeben würde. "Das Sortiment mit klassischen Souvenirs für ausländische Touristen gehört in die Innenstadt", sagt er. "Es wäre schön, wenn sich ein Nachfolger findet, der an anderer Stelle weitermacht - etwa in den Colonnaden." Die Situation für inhabergeführte Geschäfte in der City sei entgegen dem allgemeinen Eindruck gar nicht zu schlecht: So habe eine Studie der Handelskammer 2010 ergeben, dass von den Geschäften in der City Ost, also rund um Mönckebergstraße und Spitalerstraße, 36 Prozent inhabergeführt sind, in der City West, zwischen Rathaus- und Gänsemarkt, sogar 49 Prozent.

Dennoch ließe sich seit Jahrzehnten ein Sterben des Einzelhandels beobachten, sagt Wolfgang Linnekogel, Sprecher des Fachverbands der Hamburger Einzelhändler. "Vor 30 Jahren waren 2650 Fachgeschäfte bei uns organisiert, jetzt sind es nur noch 230 - und die Filialisten." Während im Falle der Brüder Böhm-Rupprecht die Umwandlung des Streit's Hauses die Ursache sei, seien meist die hohen Mieten in der Innenstadt schuld an der Verdrängung von Händlern. Ein Umzug in einen anderen Stadtteil sei für sie meist zu riskant: "Sie können höchstens 50 Prozent ihrer Stammkunden mitnehmen."

Außer Emil Jeand'Heur müssen mit dem Streit's-Kino auch ein Modegeschäft von Ursula Aust und das Juweliergeschäft Ciro, seit 1960 im Streit's Haus und spezialisiert auf hochwertigen Modeschmuck, weichen. "Wir werden Hamburg als Standort aufgeben", sagt eine Verkäuferin des österreichischen Schmuckunternehmens. In Deutschland ist es dann nicht mehr vertreten - Hamburg war die einzige Filiale außerhalb Österreichs.

Was im Erdgeschoss des Streit's Hauses nach dem Auszug von Kino und Läden geschehen wird, wollen die Besitzer noch nicht bekannt geben. "Erst wenn alles in trockenen Tüchern ist", sagt Seniorchef Peter Reimers, dementiert aber Gerüchte, die von einem neuen Kino oder einer Shopping-Passage zwischen dem Streit's Haus und dem Streit's Hof an der Poststraße sprechen. Von seinem Büro im fünften Stock blickt er auf die Alster und den Jungfernstieg. Reimers fühlt sich dem Standort verpflichtet. "Ein Fast-Food-Restaurant oder einen Telefonladen wird es hier nicht geben", sagt er in Anspielung auf den geplanten Vodafone-Laden in der ehemaligen Salamander-Filiale am Jungfernstieg.