Wie sieht es dort eigentlich wirklich aus? Das Abendblatt hat zum Jahreswechsel Hamburger mit diesem Namen besucht und nachgesehen.

Hamburg. Böller aus dem Vorjahr? Tagebücher, Liebesbriefe, Dessous? Alte Zeitschriften, Hundeknochen, Strickkram oder aller möglicher Unrat? Etwas Geheimes gar? Wie sieht es bei Hempels unterm Sofa wirklich aus? Dieser Frage auf den Grund zu gehen war die Aufgabe zum Jahreswechsel. Spaß muss sein. Also machten wir uns rechtzeitig auf den Weg zu Menschen namens Hempel, die ihr "Schicksal" mit Humor und einem selbstbewussten Augenzwinkern quittieren. Viel interessanter als der Zustand unter dem Möbelstück, das steht von vornherein fest, ist das Leben dahinter.

"Herzlich willkommen und hereinspaziert!", ruft eine fröhliche Frau in der Haustür ihrer kleinen Kate direkt am Deich in Neuengamme. Das fängt ja gut an. Schnörkellos bittet Corinna Hempel in ihr Wohnzimmer und dort auf ihr bestes Stück: ein formidables, üppig geformtes Sofa im Leopardenmuster. Ein Traum auf vier Beinen. Vor sechs Jahren im Möbelpark Sachsenwald erstanden ist es Ruheoase in der guten Stube. Hier ist alles aufgeräumt - die Wohnung und erst recht die Hausherrin.

"Ich benutze das Sofa praktisch täglich", fährt Frau Hempel fort. Zum Fernsehen, Lesen, Sinnieren oder zum Klönschnack mit dem aushäusigen Lebensgefährten. Dass der eigenwillige Leopardenlook alles andere als ein Zufall ist, zeigt sich auf den zweiten Blick: Die meisten Einrichtungsgegenstände in der urgemütlichen Dreizimmerkate sind markant gelb-schwarz gemustert: Bilderrahmen, Kissen, Handtaschen und Klobrille. "Sogar Bettwäsche, Bademantel und Bikini", verrät die 42 Jahre alte Hanseatin. Und in der Bar wartet ein Leopardenlikör aus Südafrika auf Freunde erlesenen Geschmacks.

"Mein Leben ist bunt", fügt Corinna Hempel hinzu. Damit meint sie ihren Beruf als selbstständige Glasmalerin mit Werkstatt-Atelier in Curslack, aber auch ihr Dasein allgemein: "Mein Alltag ist besonders und bringt mir Freude." Rock 'n' Roll eben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Denn Vater Adolf inspirierte seine Corinna, übrigens eine von drei Töchtern, nicht nur zum Beruf der Kunstglaserin, sondern auch für diese Musikrichtung, die zudem Lebensstil ist. Als der junge Adolf in den 50er-Jahren Rock-'n'-Roll-Platten auflegte, ein Leopardenhemd trug und seine vier Damen mit einer knapp geschnittenen Leoparden-Plüsch-Badehose beeindruckte, fing auch Corinna Feuer. Für die Musik wie für den Wildkatzenlook.

Begeistert rockte sie im 4/4-Takt, bewegte sich in einschlägigen Freundeskreisen sowie in Szenekneipen - und blieb allem treu. Bis heute. Parallel schnackt sie "een beten Platt", hat ein Pferd im Stall und einen Pontiac auf dem Hof. Womit viele Fragen beantwortet sind. Nur eine nicht: Was befindet sich bei Corinna Hempel unterm Sofa? Sie beugt sich vor und zieht ein kuscheliges Ungetüm hervor. Es entpuppt sich als tierisch langes Leopardenbaby. Eine Art Türvorleger, damit von unten keine Zugluft hereinkommt. Alles klar? Tschüs, Frau Hempel, auf bald mal. War so richtig herzlich und nett bei Ihnen.

Auch andere Hanseaten namens Hempel reagierten aufgeschlossen und bester Dinge auf die ungewöhnliche Frage nach den Zuständen unter ihrem Sofa. 68 von ihnen sind im Hamburger Telefonbuch verzeichnet. Übereinstimmend berichten sie, dass Verballhornungen ihres Nachnamens zum Alltag zählen, Klingelstreiche inklusive. Die Minderheit, so unsere Umfrage, reagiert genervt, die Mehrheit humorvoll. Wie gesagt, ein bisschen Spaß muss sein.

Umstritten ist die Herkunft des Sprichworts, das sinnbildlich steht für einen unübersichtlichen Ordnungsstil oder Chaos im Leben. In anderen deutschen Regionen existiert alternativ die Redewendung "bei Hempels unterm Bett". Der Barde Reinhard Mey kann ein Lied davon singen, was er 1991 auch tat: "Ach wie nett, ach wie adrett! Aber wie, aber wie sieht's aus bei Hempels unterm Bett." Unter www.hempel-unterm-sofa.de finden Interessierte ein Forum und sogar diverse Fanartikel mit entsprechendem Aufdruck - vom T-Shirt über Hundeschal bis zu Boxershorts im Retrostil.

Experten meinen, das Wort "Hempel" leite sich von Hampel(mann) ab. Schon Martin Luther nutzte die Einstufung "grober Hempel" als Synonym für einen einfältigen, unkultivierten Menschen. Dem steht als Deutung das angeblich ungezügelte, unordentliche Zirkusleben vergangener Tage gegenüber. Ein Dr. Rolf Essig meint es ganz genau zu wissen: Demnach stammt die beliebte Redewendung aus Hamburg. Unter den Zirkusmitarbeitern des Tierparkgründers Carl Hagenbeck befand sich angeblich eine Artistenfamilie namens Hempel. Wenn diese nach ein paar Tagen eine Stadt weiterzog, fand sich auf dem Stellplatz, also quasi unter dem Sofa des Wohnwagens, jede Menge Müll.

Bei Annedore und Peter Hempel, beide Anfang 60, sieht das ganz anders aus. Das Ehepaar lebt seit acht Jahren in einer modernen, hellen Loftwohnung in Hoheluft-Ost. Sie stammt aus Treptow im Osten Berlins und arbeitet seit zwei Jahrzehnten als Marketingleiterin bei dem Ferienhausanbieter DanCenter. Er ist Unternehmensberater mit Wurzeln bei Dresden. Die Eltern zweier Söhne begreifen die Wende mit dem Mauerfall als "riesengroßes Glück".

Das weiß gepolsterte Sofa mit den Holzfüßen stammt vom Möbeldesigner Marktex an der ABC-Straße. "Darauf können wir alt werden", sagt Frau Hempel bei einer Tasse Espresso. Aus dem Regal neben dem Sofa holt Herr Hempel ein Kinderbuch von Vanessa Hié. Der Titel: "Die Hempels räumen auf". Stimmt in diesem Fall absolut. Denn unter ihrem Sofa glänzt das Parkett. Sonst nichts.