Senat plant härteres Vorgehen. Justizsenatorin Jana Schiedek, SPD, will auch Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen schärfer ahnden.

Hamburg. In Hamburg entstehen durch Wirtschaftskriminalität jedes Jahr Schäden in dreifacher Millionenhöhe. 2011, so geht es aus der Kriminalstatistik hervor, lag der Schaden bei rund 313 Millionen Euro und damit sechsmal so hoch wie etwa bei allen 47.000 registrierten Überfällen und Diebstählen auf der Straße - dabei waren gerade einmal rund 1000 Taten der Wirtschaftskriminalität zuzuschreiben. Es geht also bei jedem Fall um viel Geld und enorme Schäden. Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) will deshalb härter gegen die Täter vorgehen.

Nachdem Schiedek im vergangenen Jahr bereits auf Bundesebene mit einem Vorstoß Erfolg hatte, der die Opfer von Wirtschaftskriminalität besser entschädigen soll, setzt ihre Behörde 2013 mit konkreten Maßnahmen in Hamburg an. So gibt es ab diesem Mittwoch am Amtsgericht in Hamburg-Mitte eine Art Sondereinheit von Richtern, die sich speziell um Wirtschaftsstrafsachen kümmert.

Bisher werden solche Fälle an allen acht Hamburger Amtsgerichten verhandelt. Manches Gericht kommt auf weniger als zehn Verfahren im Jahr. Bei hamburgweit insgesamt rund 20.000 Verfahren eine verschwindend kleine Zahl. Die Folge: Die oftmals komplizierten Fälle von Subventions-, Kapitalanlage- und Kreditbetrug, von Insolvenzverschleppung, von Bestechung, von Bilanzfälschung oder -manipulation liegen durchschnittlich mehr als doppelt so lange bei den Gerichten wie andere Strafsachen. Während ein Autodieb in der Regel schon nach kurzer Verfahrensdauer verurteilt wird, dauerte ein Wirtschaftsstrafverfahren an den Amtsgerichten im Jahr 2011 im Schnitt acht Monate. 2009 lag der Durchschnitt für bestimmte Straftaten der Wirtschaftskriminalität sogar bei beinahe 16 Monaten Verfahrensdauer. Die Richter der neuen Abteilung in Hamburg-Mitte sollen speziell geschult werden. "Die verbesserte Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität ist ein Gebot der Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts", begründet Schiedek ihre Haltung. "Wir müssen vermeiden, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entsteht, dass wir die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen."

Aber die Justizsenatorin will nicht nur gegen die klassischen Delikte und bei einigen wenigen großen Fällen härter vorgehen. Sie will das Problem auch von einer Seite begegnen, die man als Laie nicht unmittelbar mit dem Stichwort Wirtschaftskriminalität in Verbindung bringt. Es geht um Strafen für Unternehmer, die ihre Mitarbeiter dazu anhalten, zu lange hinter dem Steuer des Lkw zu sitzen oder zu lange zu arbeiten. Und um Sanktionen für Gewerbetreibende, die keine Erlaubnis zum Verkauf ihrer Waren haben. Um Geldbußen für Firmen, die ihre Mitarbeiter mit verbotenen Chemikalien arbeiten lassen, und zahlreiche weitere Fälle, die in den Bereich der Ordnungswidrigkeiten fallen. Dazu sollen die Möglichkeiten der Vermögensabschöpfung künftig effizienter genutzt werden. Was die Justizbehörde vorhat, lässt sich am leichtesten am Beispiel eines Lkw-Fahrers erklären, dessen Wagen zu schwer beladen ist. Stellt die Polizei beispielsweise bei einer Verkehrskontrolle einen Verstoß fest, muss der Fahrer das entsprechende Ordnungsgeld zahlen. Er allerdings wird nicht selbst entschieden haben, den Wagen schwerer als erlaubt zu beladen. Als Angestellter hat er keinen Nutzen davon. Sein Chef allerdings schon. Ihm über ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eine Schuld zuzuweisen, ist jedoch meist schwierig. Bei der Vermögensabschöpfung ist das leichter. Hier reicht es in der Regel, dass der Inhaber der Firma oder ein Geschäftsführer ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Mit einem sogenannten Verfallsbescheid hat ein Gericht die Möglichkeit, den aus der rechtswidrigen Tätigkeit erzielten Gewinn zu kassieren.

Bislang werden auch solche Delikte in Hamburg dezentral verfolgt und verhandelt. Das will der Senat ändern. So werden Verkehrsdelikte, bei denen die Vermögensabschöpfung eine geeignete Möglichkeit der Bestrafung darstellt, vom Juli an im Amtsgericht Mitte verhandelt, und die Behörde für Inneres wird in einem auf zwei Jahre angelegten Pilotprojekt für alle Ordnungswidrigkeiten zuständig werden, die im weitesten Sinne der Wirtschaftskriminalität zuzuschreiben sind. Eine entsprechende Verordnung soll in der ersten Sitzung des neuen Jahres den Senat passieren. Bislang nimmt die Stadt im Jahr zwischen einer und drei Millionen Euro ein.

Es wurde eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Verfahrensabläufe zu vereinfachen und zu optimieren. Die Bandbreite ist riesig und reicht von unerlaubtem Baumfällen für einen Elbblick und Missachtung des Nachtflugverbots bis zur unerlaubten Entsorgung von Abfällen. Deswegen sollen die Behörden künftig besser untereinander vernetzt werden. Es finden regelmäßig Praktikerrunden statt, in denen Erfahrungswissen ausgetauscht wird, Fortbildungen angeboten sowie anonymisierte Fälle besprochen werden. Zudem wurde eine Urteilsdatenbank aufgebaut. Schiedek: "Mit der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität schützen wir nicht zuletzt diejenigen, die sich im Geschäftsverkehr redlich verhalten."