Peer Steinbrück verscherzt sich mit dem Lamento über das Kanzlergehalt Sympathien

Lernt der Mann es denn nie? Statt den Bürgern zu erklären, wie er besser als Kanzlerin Angela Merkel die Deutschen durch die vielfältigen Krisen der Republik, des Euro und der Welt führen will, musste sich Peer Steinbrück des Vorwurfs eines wenig instinktreichen Politikers erwehren, der mit Vorträgen Geld scheffelt und darüber sein Mandat als Bundestagsabgeordneter vernachlässigt. Noch vor wenigen Wochen gab er sich vor den eigenen Genossen, die ihn zum Kanzlerkandidaten der SPD küren sollten, reuig und zerknirscht.

Und jetzt dies. Als habe es die Diskussionen um die zwei Millionen Euro nie gegeben, die er in knapp zwei Jahren als Vortragsreisender kassiert hatte, macht Steinbrück den Elefanten im Porzellanladen und sich öffentlich Gedanken darüber, ob Bundeskanzler nicht mehr verdienen sollten als nordrhein-westfälische Sparkassendirektoren.

Nur damit die Zahlen klar sind: Angela Merkel, deren Amt er anstrebt, wird im kommenden Jahr annähernd 17.000 Euro im Monat erhalten. Von der Kanzlerin ist nicht bekannt, ob sie sich schon über die Höhe des Gehalts beschwert hat - von ihren Vorgängern Helmut Schmidt und Gerhard Schröder auch nicht.

Nur damit auch klar ist, dass larmoyantes Mäkeln über angeblich schlechte Bezahlung nicht ein Alleinstellungsmerkmal für den Spitzen-Sozi Steinbrück ist: Helmut Kohl jammerte auch schon darüber, dass jeder Zahnarzt mehr Geld verdiene als er.

Natürlich kann man immer darüber diskutieren, ob Politiker ausreichend gut bezahlt und etwa 200.000 Euro im Jahr ausreichend für einen Kanzler sind. Das reicht für ein gutbürgerliches Leben und mehr als eine warme Mahlzeit am Tag allemal.

Was sollte denn ausreichend sein für einen Kanzler: das Gehalt eines Chefarztes, eines Geschäftsführers eines mittelständischen Unternehmens oder des Chefs der Deutschen Bank? Letzterer hätte immerhin eine vergleichbare Verantwortung wie ein deutscher Bundeskanzler. Aber der Vorstandsvorsitzende einer Bank kann auch jederzeit den Job wechseln, wenn er sich woanders mehr verspricht. Jeder Bundesliga-Profi verdient, selbst wenn er nur auf der Ersatzbank sitzt, mehr als der Kanzler - und kann ebenfalls fast jederzeit den Job wechseln. Wer noch an Vereinstreue glaubt, gilt schon lange als Nostalgiker.

Aber erwarten wir eine solche Mentalität auch von unseren Politikern? Man muss nicht gleich ein Moralapostel sein, wenn man von ihnen erwartet, dass sie ihre Profession ausüben aus mehr Antrieb als dem Streben nach einem gut bezahlten Job. Geht es nicht auch um Verantwortung fürs Gemeinwesen - um Verantwortung für diejenigen, die einen gewählt haben? Geht es nicht auch um Ansehen und Ehre, gegebenenfalls sogar um Ruhm und Einträge ins Geschichtsbuch - sei es lokal, national oder international? Zehntausende von Politikern handeln täglich so, in Stadt- und Gemeinderäten, in Kreis- und Landtagen - und sie fragen nicht nach der Höhe ihrer Bezahlung.

Klare Kante zeigen, das war bislang ein Markenzeichen von Peer Steinbrück. Damit hat er als Bundesfinanzminister zum Beispiel in der Finanz- und Bankenkrise Erfolg gehabt. Klare Kante erwarten die Bundesbürger auch vom Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten darüber, wie es weitergeht mit der Gleichstellung von Frauen, mit unseren Renten. Sie wollen wissen, wie er verhindern will, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft. Sollen wir auch Exportweltmeister bei Waffen werden oder lieber doch nicht?

Wenn Peer Steinbrück jedoch glaubt, er müsse sich schon mal Gedanken über seine künftige Bezahlung machen, kann er damit bei der Wahl kaum punkten. Sympathien bringt ihm diese Art von klarer Kante nicht. Da ist er schiefgewickelt.