Die Inventur in Hagenbecks Tropenaquarium ergibt 14.300 Tiere aus 300 Arten. Ungewohnt in der Nebenrolle: die Kattas von nebenan.

Hamburg. Was für eine Frechheit. Die Kattas können es kaum glauben. Eine Waage, reichlich Leckerbissen und viele Kameras ... Kein Zweifel, so beginnt alljährlich die Inventur im Tropenaquarium bei Hagenbeck. Nur stehen die flinken Lemuren - Markenzeichen: langer Ringelschwanz - diesmal nicht im Rampenlicht. Alle Blicke liegen auf ihren Nachbarn, den rot-orangen Tomatenfröschen, die gezählt und gewogen werden. Für die Kattas bleibt nur der Zuschauerplatz in der zweiten Reihe. Irritiert beobachten sie das Geschehen. Fehlt nur noch, dass einer fragt: "Was wollt ihr denn mit denen? Die sind doch total langweilig."

Dafür schön rot, giftig und auch noch neu. Ende November zogen 27 Tomatenfrösche im Tropenaquarium ein und einige gleich wieder aus - auf die Quarantänestation. "Sie waren zu klein und kletterten immer durch die Maschen im Zaun", sagt Tierpflegerin Heidi Rohr. Dort fielen die roten Hüpfer den neugierigen Kattas in die Hände, die sie zwar nicht auffressen, aber mit ihnen spielen und sie anlecken wollten. Keine gute Idee, denn unter Stress sondern die Frösche ein milchig-weißes, giftiges Sekret ab. Also ab mit den kleinsten Exemplaren zum Aufpäppeln hinter die Kulissen. Erst wenn die Frösche größer als die Zaunlöcher sind, dürfen sie zurück auf den Madagaskar-Dorfplatz. Froschtraummaße: 50 Gramm Gewicht und ein dicker Bauch sollten es schon sein.

14.300 Tiere aus 300 Arten, das ist die diesjährige Bilanz im Tropenaquarium. Ungefähr zumindest, denn exakt lassen sich Fischwärme, Quallen und Co. nie zählen. "Wir wollen aber einmal im Jahr einen Überblick gewinnen", sagt Reiner Reusch, stellvertretender Leiter des Tropenaquariums. Die Inventur ist für seine Kollegen und ihn eine gern genommene Gelegenheit, die Tiere in Ruhe zu sichten. Wer sieht krank aus? Wie entwickelt sich eine Population? Wo müsste vielleicht das Gehege umgestaltet werden?

Im Korallensaumriff gibt es keinen Handlungsbedarf. Fische aus 50 Arten tummeln sich hier. Wie viele es genau sind? Niemand weiß es. Wer sie zählen will, steht vor einer großen Herausforderung - oder er kennt einen Trick, wie Reiner Reusch. Er beginnt an einem Ende des Beckens, bewegt sich langsam ans andere Ende und zählt dabei eine Art. Das macht er dreimal, hat dann drei verschiedene Ergebnisse notiert, zählt sie zusammen, nimmt den Mittelwert und fertig. Somit steht seit Donnerstag fest, dass im Tropenaquarium 20 Zitronensegelflossendoktorfische, 32 Grüne Schwalbenschwänzchen und 76 Fahnenbarsche schwimmen. Ungefähr. Nur eine Art macht es Reusch leicht, der Mandarin-Leierfisch. "Davon haben wir nur einen. Das ist ein kleiner Stinker, ein Griesgram, der sich meist versteckt und seine Ruhe haben will", sagt der Tierpfleger. Auch Geigenrochen Marina bleibt im großen Hai-Atoll gerne für sich. Als sich ihr Donnerstag zwei Taucher nähern, sucht sie aber doch Gesellschaft. Den Grund erklärt Tierpflegerin Heidi Rohr: "Marina ist ein am Boden lebender Rochen. Wir trainieren seit zwei Jahren mit ihr, um sie an der Wasseroberfläche füttern zu können." Leider bisher ohne Erfolg, deshalb bekommt Marina jetzt immer eine Kiste mit Futter hinuntergelassen, die sich in Bodennähe und damit direkt vor ihrem Maul öffnet. Das Training bewirkte jedoch, dass Marina bei den Tauchern Futter vermutet. So kommt sie neugierig angeschwommen und kann in aller Ruhe vermessen werden. Ergebnis: 1,50 Meter Länge, das sind 30 Zentimeter mehr als noch vor zwei Jahren. Um Marina herum ist die Welt im Hai-Atoll ebenfalls in Ordnung. Zackenbarsch Zorro ist nach wie vor der Chef im Riesenbecken, sein Kontrahent, Napoleonfisch Bonaparte, verstarb in diesem Jahr, ebenso wie der gerade erst eingetroffene junge Adlerrochen. Die Zebrahaie Harry und Sally lieben sich immer noch sehr. Aus ihren in diesem Jahr erstmals gelegten Eiern schlüpften zwar keine Jungtiere, aber vielleicht gibt es ja 2013 Nachwuchs mit spitzen Zähnen.

Fehlt noch jemand? "Die Kattas!", würden die Kattas rufen. Zehn Tiere wurden am Donnerstag gezählt. Clanpapa Gerard wird langsam alt und will seine Ruhe haben, Familienmama Dicke ist wieder dick und wird voraussichtlich im März ihr siebtes Jungtier gebären.

Wer das alles selber sehen oder - besser noch - selber zählen möchte, kann dies an den kommenden Tagen tun, das Tropenaquarium hat täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet, zu Silvester allerdings nur von 9 bis 12 Uhr.