Mit dem neuen Aufsichtsrat dürfte sich die Lage noch verschlimmern. Die Mitglieder müssen endlich für neue Strukturen kämpfen

Das waren noch Zeiten. 1995 wählte der HSV, als Uwe Seeler noch Präsident war, erstmals einen Aufsichtsrat. Hamburger Größen wie Harald Erichsen, Martin Willich sowie die Politiker Werner Hackmann, Fritz Vahrenholt und Henning Voscherau gaben sich unter der Leitung von Börsenchef Udo Bandow in diesem Gremium die größte Mühe, den Bundesligadino zu kontrollieren. Und auch eine Frau - wie süß - war dabei: "Tagesschau"-Sprecherin Dagmar Berghoff. Sie alle sollten "uns Uwe" beim Geldausgeben auf die Finger schauen. Leider war der Klub schon damals chronisch klamm.

Und nun, am 13. Januar, werden bei der Mitgliederversammlung im CCH wieder einmal vier neue Kontrolleure für den mit elf Mitgliedern immer noch viel zu großen Aufsichtsrat gesucht. 14 Kandidaten stehen zur Wahl. Und wie es jetzt aussieht, wird der HSV ein Kontrollgremium erhalten, das sich zur Mehrheit aus Fans zusammensetzen wird. Ist das noch gesund?

Das kann in meinen Augen keine gute Entwicklung mehr sein. Dem HSV-Aufsichtsrat wird seit Jahren schon nachgesagt, dass er ein Tummelbecken für eitle Menschen und für große Selbstdarsteller ist. Daran wird sich wohl nichts ändern. "Klub der Ahnungslosen" werden die Räte von der "Bild" regelmäßig genannt. Und das dürfte sich eher noch verschlimmern. Auf den finanziell arg gebeutelten HSV kommen harte Zeiten zu.

Vor einigen Tagen unterhielt ich mich mit dem ehemaligen HSV-Helden Horst Hrubesch über den Aufsichtsrat. Der DFB-Nachwuchstrainer sagte überaus treffend: "Insgesamt ist es doch so: Die Bundesliga hat nachgewiesen, dass mit solchen Strukturen nicht zu arbeiten ist. Der HSV ist aber einer der wenigen Vereine, der noch eine solche Struktur hat. Vielleicht ist er inzwischen auch der einzige."

Einst saßen in diesem Aufsichtsrat nicht nur "Ahnungslose", die vom Profifußballgeschäft nicht den kleinsten Hauch verstanden. Es gab auch Männer, die großen Spaß daran hatten, alle Geheimnisse auszuplaudern. Indiskretionen waren Teil ihrer Strategie, um sich als Selbstdarsteller inszenieren zu können. Das Motto, selbstverständlich hinter vorgehaltener Hand und nur tuschelnd verkündet, lautete: "Seht her, ich bin beim HSV eine große Nummer - ich weiß alles." Keine Spur von Loyalität zum Klub und zu dessen Führung.

Als Aufsichtsratschef Bandow eines Tages dieser Flut an Indiskretionen Einhalt gebieten wollte, indem er jedes Mitglied des Gremiums eine eidesstattliche Versicherung unterschreiben ließ, nichts Geheimes ausgeplaudert zu haben, unterschrieben brav alle. Die Aktion war sicher gut gemeint. Doch danach begann alles von vorne. "Verräter" wurden nie entlarvt.

Abgesehen davon müsste der Rat eigentlich nicht mit vier neuen Leuten aufgestockt werden, sondern um vier Personen verkleinert werden - aber das wird Utopie bleiben. Bei der vorletzten Mitgliederversammlung wurde bereits ein Antrag auf Verkleinerung des Aufsichtsrates gestellt, doch statt der erforderlichen Dreiviertelmehrheit stimmten nur 52 Prozent dafür - gescheitert.

Das zweite Übel dieses Gremiums ist sicher die Tatsache, dass ihm keine Fußballer angehören. Drei "Ehemalige" hatten es einst geschafft: Willi Schulz, Gerd Krug, Sergej Barbarez. Bewirkt haben sie letztlich nichts, weil ihnen die Hände gebunden waren. Schulz sagt noch heute: "Ich habe von zwölf Leuten nur eine Stimme - was soll ich da ausrichten, wenn alle anderer Meinung sind?" Weil sie keine Ahnung vom Fußball haben.

Die Wahl wird am 13. Januar über die Bühne gehen, anschließend wird der HSV einen neuen elfköpfigen Aufsichtsrat haben. Glücklich wird er damit nicht werden. Weil es längst an der Zeit wäre, neue Strukturen zu schaffen. Es wäre wünschenswert, wenn sich dafür aus der Mitgliedschaft eine Dreiviertelmehrheit finden ließe, um endlich die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des HSV zu stellen. Alles andere wäre Luxus - und hätte auch einen großen Hauch von Provinz.

HSV-Mitglieder, wacht auf und seht euch in der Liga um: Wie läuft es zum Beispiel beim FC Bayern? Bei Borussia Dortmund? Bei Hannover 96? Horst Hrubesch sagte: "Die Bundesliga hat nachgewiesen, dass mit den Strukturen des HSV nicht zu arbeiten ist."

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab