Hamburg. Ralph Vollmers darf sich als beliebtester Schiedsrichter Hamburgs fühlen. Zweimal in Folge wurde der Unparteiische vom FSV Geesthacht zum Schiedsrichter des Jahres gewählt. Doch nicht nur der Tod des Linienrichters in den Niederlanden lässt ihn zweifeln, ob er in Zukunft noch seinem Hobby nachgehen soll.

Hamburger Abendblatt:

Herr Vollmers, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie in dieser Woche vom Tod des Linienrichters in den Niederlanden erfuhren?

Ralph Vollmers:

Dass es absolute Parallelen zu den Verhältnissen in Hamburg gibt. Die Gewalt ist auch hier überall präsent. Ich bin sehr traurig, aber es ist kein Wunder, dass es nun zu einem Todesfall gekommen ist.

Täuscht der Eindruck oder hat der Respekt gegenüber den Unparteiischen gravierend abgenommen?

Vollmers:

Das kann ich absolut unterschreiben, zum Teil ist der Respekt auch überhaupt nicht mehr vorhanden. Das Schlimme daran ist, dass diese Entwicklung von außen regelrecht gefördert wird, also von den Trainern oder Eltern.

Inwiefern geschieht das?

Vollmers:

Ich habe erst kürzlich wieder gehört, dass junge Schiedsrichter, also 14- oder 15-Jährige, ihre ersten Spiele in der F- oder G-Jugend pfeifen und sich dort gehässige Kommentare der Eltern anhören müssen. Da geht es schon los.

Ist auch bei den Jugendlichen die Hemmschwelle für gewalttätige Aktionen bemerkbar gesunken?

Vollmers:

Es gab auch in Hamburg schon Jugendliche, die den Trainer der gegnerischen Mannschaft geschlagen haben. Bei der Welle, die momentan in Mode ist, musste es irgendwann so enden wie in den Niederlanden. Für mich ist das aber kein Fußballproblem, sondern eine gesellschaftliche Entwicklung. Schauen Sie sich nur die heutigen Videospiele an, wodurch meiner Meinung nach die Gewalt verharmlost oder sogar verherrlicht wird.

Sehen Sie einen Ausweg?

Vollmers:

Im Fußball gibt es ja bereits einige Anti-Gewalt- und Fanprojekte. Man muss allerdings konstatieren, dass diese Instrumente noch nicht ankommen sind, sie fruchten nicht. Für mich ist das allerdings kein Wunder. Wenn sich angesichts des Trainermangels Eltern als Übungsleiter zur Verfügung stellen, ist das zwar auf den ersten Blick löblich, auf der anderen Seite fehlen natürlich der pädagogische Hintergrund und die richtige Ansprache, es werden die falschen Werte vermittelt. Meistens pöbeln diese Eltern mit.

Zuletzt war auch Dortmunds Jürgen Klopp, der häufig sehr emotional an der Seitenlinie agiert, in der Diskussion.

Vollmers:

Zu Recht, weil auch die Trainer in der Bundesliga ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht werden. Es muss oben anfangen und unten in der Kreisklasse aufhören. Auch das Verhalten der Liga-Trainer muss auf die Agenda.