Ein Kommentar von Heinrich Oehmsen

Pünktlichkeit gehört zu den bürgerlichen Tugenden. Vorbildlich funktioniert sie in Einrichtungen wie dem Theater und der Oper. Dort wird Zuspätkommen in der Regel sanktioniert, indem man bis zur Pause warten muss oder erst einmal in den 2. Rang verbannt wird. Besucher von Popkonzerten dagegen kommen und gehen, wann sie wollen. In Rockklubs ohne Sitzplätze ist das einigermaßen egal, in bestuhlten Sälen wie auf Kampnagel oder in der Laeiszhalle wird der Hang zur Unpünktlichkeit zum massiven Ärgernis für alle, die kein Problem mit der Uhr haben. Das Knarzen der Treppen in der Kampnagel-Halle k6 ist oft lauter als die filigrane Musik auf der Bühne.

Je hipper, desto bräsiger wird dort die Stufen heraufgepoltert. Hauptsache, man zieht die Blicke auf sich. Gute Plätze sind eine halbe Stunde nach Konzertbeginn zwar nicht mehr frei, aber egal, die Treppe bietet doch auch einen guten Blick. Das führt dann zu Gedränge, neuer Unruhe und endlosen Diskussionen mit dem Ordnungspersonal. Irgendwann ist doch noch ein Platz gefunden, aber der Bierbecher ist plötzlich leer. Also wieder "knarz, knarz" die Treppen hinunter. Dass man eventuell diejenigen stören könnte, die konzentriert zuhören möchten, dieser Gedanke kommt solchen Zeitgenossen nicht. Sie leben nach der Maxime: "Ich bin mir selbst am wichtigsten!" oder "Wo ich bin, ist vorne." Vielleicht sollte man ihnen die Türen verschließen und ihnen etwas Zeit schenken. Zum Nachdenken darüber, was die Information "Beginn: 20 Uhr" auf den Eintrittskarten bedeutet.