Was ist am Ende wirklich wichtig? Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen

Die Diskussionen in Gesellschaft und Politik über Sterbehilfe und Organspende - beides ist jüngst gesetzlich neu geregelt worden - oder über Patientenverfügungen führen uns die bittere Endlichkeit unseres Lebens vor Augen. Auch nach Hunderttausenden Jahren menschlicher Existenz ist der Tod ein Mysterium geblieben. Die bange Frage, ob noch etwas danach kommt, bleibt eine Glaubensangelegenheit, da die Wissenschaft hier an das Ende ihrer Kapazitäten stößt. Das Weiterleben in einer körperlosen Form gehört zum theologischen Kernbestand der meisten Religionen. Es spiegelt die Angst der Menschen vor dem Nichts wider.

Doch umso wichtiger für uns ist zunächst die Frage, was v o r dem Tod stattfindet. Denn nicht den Tod solle man fürchten, sondern dass man nie beginnt zu leben, hat Marc Aurel, der Philosoph auf dem römischen Kaiserthron, gesagt. Der Wiener Dramatiker Arthur Schnitzler, der als Arzt den Tod gut kannte, meinte: "Am Ende gilt doch nur, was wir getan und erlebt - und nicht, was wir ersehnt haben". Für viele Menschen stellt sich offenbar angesichts des nahenden Todes das Problem, dass sie eben nicht so gelebt haben, wie sie es gern getan hätten.

Der angesehene Londoner "Guardian" berichtete jetzt über das Buch einer australischen Krankenschwester, das für uns alle ein Weckruf sein sollte. Bronnie Ware hat jahrelang Sterbende in ihren letzten Wochen auf der Palliativstation begleitet. Sie schreibt von einer "phänomenalen, visionären Klarheit" in den Gedanken ihrer Patienten kurz vor dem Tod. Ware fragte alle diese Menschen, ob sie etwas bereuten. Und zu ihrem großen Erstaunen gaben die Sterbenden nahezu immer wieder dieselben Antworten. Fünf der häufigsten Wünsche hat die Krankenschwester aufgelistet:

1. Ich wünschte, ich hätte den Mut besessen, mein Leben so zu leben, wie es mir entspricht - und nicht so, wie andere es von mir erwarteten. "Das ist der häufigste Wunsch überhaupt", sagt Bronnie Ware. Am Ende ihres Lebens erkennen die Menschen, wie viele ihrer Träume unerfüllt geblieben sind - aufgrund der Entscheidungen, die sie getroffen haben oder nicht getroffen haben. "Gesundheit gibt uns eine Freiheit des Handelns, die wenige begreifen - bis sie sie nicht mehr haben."

2. Ich wünschte, ich hätte nicht so hart gearbeitet. "Jeder männliche Patient hat diesen Wunsch geäußert. Sie haben die Kindheit ihrer Kinder verpasst und die Nähe ihrer Partner. Sie bedauern tief, dass sie so viel Zeit für die Tretmühle der Arbeit verschwendet haben".

3. Ich wünschte, ich hätte den Mut besessen, meine Gefühle auszudrücken. "Viele Menschen unterdrücken ihre Gefühle um des lieben Friedens willen. Als Ergebnis führen sie ein mittelmäßiges Leben und werden niemals zu den Menschen, die sie hätten werden können. Viele Erkrankungen resultieren aus einer tiefen Verbitterung."

4. Ich wünschte, ich hätte den Kontakt mit meinen Freunden aufrechterhalten. "Jeder vermisst seine Freunde, wenn er stirbt", sagt Bronnie Ware. "Oft erkennen Menschen den wahren Wert einer Freundschaft erst auf dem Sterbebett, wenn es zu spät ist und sie die Freunde nicht mehr erreichen können. Sie bedauern, dass sie den Freundschaften nicht genügend Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet haben."

5. Ich wünschte, ich hätte es zugelassen, einfach glücklicher zu sein. "Ein überraschend häufiger Wunsch. Viele Menschen begreifen erst am Lebensende, dass sie sich dafür bewusst entscheiden können, glücklich zu sein. Sie waren im Leben in überkommenen Mustern und Gewohnheiten versteinert, die sich auf Körper und Seele ausgewirkt haben. Angst vor Veränderung hat sie sich selber und anderen vormachen lassen, dass sie zufrieden sind. Während sie sich tief im Inneren einfach danach sehnten, eine paar Verrücktheiten in ihrem Leben zuzulassen und herzhaft über alles zu lachen."

Die Wünsche dieser sterbenden Menschen werden in Deutschland kaum anders sein als in Australien. Es sind grundlegende Fragen der menschlichen Existenz berührt. Jeder von uns sollte sich vor Augen führen, ob er wirklich genau so lebt, wie er es gern möchte. Oder ob er sich am Ende seines Lebens eingestehen muss, dass die Jahre größtenteils verschwendet waren - an vergleichsweise nichtige Dinge. Das Buch von Bronnie Ware soll im März auch auf Deutsch erscheinen.

Abendblatt-Chefautor Thomas Frankenfeld greift an dieser Stelle jeden Donnerstag ein aktuelles Thema auf