Die CDU wehrt sich vehement gegen eine Koalition mit den Grünen. Warum eigentlich?

Also noch mal ein Angriff aus dem konservativen Lager: Auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover bringt der Kreisverband aus Fulda einen Antrag ein, der sich glasklar gegen die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften stemmt. Der rechte Flügel der Partei bellt seit Monaten wie ein Wachhund, der sein Revier gegen Eindringlinge verteidigt. Der Fremde vor dem Zaun hält eine schwarz-grüne Keule in der Hand. Sogar Kanzlerin Angela Merkel, der Motor einer Mainstream-CDU, verteilt Streicheleinheiten und spricht sich gegen ein Ehegattensplitting für gleichgeschlechtliche Paare aus.

In der Woche vor dem Parteitag gibt der Fraktionsvorsitzende ein Interview, in dem er von der "stolzen Partei" redet, die den Grünen nicht hinterherlaufe. Mit aller Kraft wehrt sich die Union gegen eine Koalition mit den Grünen. Warum eigentlich? In einem rasanten Tempo haben sich die beiden Parteien in den vergangenen Jahren angenähert - sie könnten sich nach der Bundestagswahl zu harmonischen Tanzpartnern auf dem Berliner Parkett zusammenfinden. Die Koalition aus Union und FDP hat die Wehrpflicht abgeschafft, sie setzt den Abzug der Truppen aus Afghanistan durch, befördert den Krippenausbau, die Hauptschule besteht nur noch als Ausnahme. Und das urgrüne Thema, der Atomausstieg, hat nun auch die Merkel-CDU für sich reklamiert.

Der frühere Wunschpartner FDP stagniert in Umfragen noch immer unter der Marke von fünf Prozent, und von einer schwarz-gelben Regierung bleibt das Bild von Zank und Zoff. Würde doch alles passen mit den Grünen. Was hält die Union noch davon ab, offen ein Bündnis auszurufen?

Die Antwort: Angst. Vor Machtverlust. Und davor, den Kampf um das Bürgertum gegen die Grünen zu verlieren - und am Ende dann sogar ohne die konservativen Stammwähler dazustehen. Doch diese Angst wirkt wie Klebstoff: lieber immer schön fest dranbleiben am klassischen Wählermilieu. Dabei gibt es für Konservative kaum eine Alternative zur CDU. Problem der Union ist vielmehr: Dieses Milieu schmilzt.

Dagegen wächst die Gruppe der urbanen Bürger in den Wohlstandsvierteln der Metropolen. Dort aber rutscht der CDU der Boden unter den Füßen weg. Bald regiert nur noch in drei von 20 Großstädten ein Bürgermeister der Union. In Hamburg hat die Partei eine Niederlage einstecken müssen, Frankfurt und Stuttgart folgten, in Berlin kann sich die CDU schon über mehr als 25 Prozent freuen. Wer Volkspartei sein will, kann ohne die Großstädte nicht überleben. Das wissen auch alle in der CDU. Und trotzdem lässt die Partei in ihrer Programmatik nur so viel Gleichberechtigung, flexible Familienbilder und Migration zu wie nötig. Nach dem Motto: Ist schon in Ordnung, so zu leben - aber durchsetzen müssen es andere.

Vor allem die Grünen. Sie saugen die urbane Masse wie durch einen schwarzen Strohhalm aus den Altbauwohnungen der Szeneviertel in ihre Partei. Die CDU gilt vielen jungen Leuten in Stadtteilen wie der Sternschanze und Ottensen oder Mitte und Friedrichshain in Berlin als Partei ihrer Eltern. Dabei teilen viele von eben diesen wohlhabenden Metropoliten die Werte der Union: Kinderbetreuung und Familie, Infrastruktur und wirtschaftliche Prosperität. Konservative Werte.

Doch die Union versperrt ihnen die Tür: mit dem beschlossenen Betreuungsgeld, der Blockade bei der Frauenquote und bei der nun diskutierten Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. Derzeit schaffen die Grünen den Spagat zwischen Konservativen, Bürgerlichen und Urbanen besser als die Union. Die Geschichte der CDU wird zunehmend auch entlang der Partei von Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt erzählt. Die Union muss aufpassen, dass sie dabei nicht in die Nebenrolle gedrängt wird.