Hamburger Traditionsunternehmen, das zum spanischen Konzern Ebro gehört, entlässt 65 Mitarbeiter. Vertrieb und Marketing bleiben.

Hamburg. Wer sich als Autofahrer von Süden der Innenstadt nähert, wird das Schild kaum übersehen: Schwarz-weiß leuchtet es mit der Aufschrift Oryza rechts von den Elbbrücken in den Himmel, über dem Turm der Euryza-Reismühle. Der Standort einer der wichtigsten Hamburger Lebensmittelproduzenten hat eine lange Tradition: Stolz schreibt das Unternehmen auf seiner Internetseite, hier werde "von Experten seit über 100 Jahren Reis bester Qualität gemüllert. 1976 feierte die Marke Oryza an diesem Ort ihre Geburtsstunde mit den Sorten Ideal- und Milch-Reis". Diese Geschichte geht nun ihrem Ende entgegen. In der vergangenen Woche setzten die Geschäftsführung und der Betriebsrat ihre Unterschriften unter den Sozialplan. 65 Mitarbeiter werden ihre Stellen verlieren.

Die Produktion wird komplett geschlossen und damit eine der größten europäischen Reismühlen. Hamburg hat sich im Wettbewerb gegen andere europäische Mühlen nicht durchsetzen können. Die Konkurrenz der Standorte besteht, weil Euryza inzwischen zur Ebro Foods AG gehört, einem spanischen Lebensmittelkonzern, der weitere Fabriken in ganz Europa betreibt. Die Märkte in Deutschland, Skandinavien und Osteuropa werden nun aus anderen Mühlen des Konzerns beliefert. Der Schwerpunkt der verlagerten Produktion liegt in Belgien.

"Es war für das Ebro-Management eine schwere Entscheidung, die Hamburger Reismühle zu schließen", sagt Christian Strasoldo, Geschäftsführer von Ebro Foods in Deutschland. Aber aktuell seien eine wettbewerbsfähige Produktion und eine ausreichend hohe Auslastung der Mühle nicht mehr sicherzustellen. Als weitere belastende Faktoren nannte Strasoldo die "hohen Produktionskosten in Hamburg" und die großen Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten.

Die Reismühle müsse ohne große Lagerräume auskommen, sodass es kaum möglich sei, große Mengen zu geringen Preisen am Markt einzukaufen. Zusammen mit der Wirtschaftsbehörde habe das Unternehmen versucht, neue Silokapazitäten zu finden, sagte Betriebsratschef Werner Masseck. Diese Option habe aber zu keinem Erfolg geführt. Stattdessen habe Reis teuer in Schuten zwischengelagert werden müssen. Ausgelegt ist die Mühle für 70 000 Tonnen Reis im Jahr.

Die Verarbeitung des Reises, also die Reinigung, das Polieren und die Verpackung, werden jetzt von der Ölmühle in Antwerpen übernommen. "Dort fällt der lange Weg über die Elbe weg, und es werden auch keine Proben vom Zoll genommen", sagte Masseck, der allerdings wenig Verständnis für die Entscheidung des Konzerns aufbringt: "Wir sind nicht in wirtschaftlicher Not, und vor drei Jahren haben wir noch ein rauschendes Fest zum 100-jährigen Bestehen gefeiert." Auch Strasoldo bestätigt, dass die Umsätze mit den Marken Oryza und Reisfit, die in Hamburg verarbeitet werden, steigen. Für die betroffenen Mitarbeiter bietet Ebro eine Transfergesellschaft an, die Abfindungen seien "ordentlich". Masseck gab aber zu Bedenken, dass es sich bei etlichen Beschäftigten um ungelernte, ältere Kräfte handele. "Viele werden von Hartz IV abhängig sein." Die Produktion im Hafen wird zum 31. März nächsten Jahres geschlossen, die Auslagerung der Logistik folgt bis Ende 2013.

Noch im Sommer vergangenen Jahres hatte es positive Nachrichten von Euryza gegeben. Damals war Strasoldo als neuer Chef der Reismühle nach Hamburg gewechselt. Der heute in Harvestehude lebende Rheinländer brachte neue Marken mit in die Hansestadt, denn die börsennotierte Ebro ist nicht nur führend im Reisgeschäft, sondern nach eigenen Angaben auch der zweitgrößte Nudelproduzent weltweit. Neben den Reismarken Oryza und Reisfit hatte Ebro die Markenführung seiner Nudelprodukte von Birkel, 3 Glocken und Möwe damals ebenfalls an der Elbe zusammengezogen. Immerhin arbeitete Strasoldo zuvor 18 Jahre lang beim Nivea-Hersteller Beiersdorf, später als Geschäftsführer bei Colgate mit Verantwortung für die Zahnpastamarken Elmex und Aronal und kann somit als Marketingprofi gelten. Im Zuge dieser Bündelung hatte die bisherige Verwaltung in Waiblingen Arbeitsplätze abbauen müssen, dafür war der Standort in der Hansestadt um rund ein Dutzend neue Mitarbeiter gewachsen. Diese Stellen bleiben weiterhin bestehen, sagte Strasoldo. In Vertrieb, Marketing und in der Verwaltung bleiben insgesamt 46 Arbeitsplätze erhalten. "Wir erwägen aber, in andere Büroräume umzuziehen", ergänzte der Manager.

Es ist bisher unklar, was mit den Gebäuden der Reismühle geschehen wird, die der Kaufmann Alfred Lüthke 1909 gegründet hatte. Es werden jedenfalls künftig nicht mehr täglich Tonnen von Reis an den Peute-Kanal geliefert werden, aus Südeuropa, Thailand oder Indien. Auch das Schild mit der Aufschrift Oryza, dem lateinischen Wort für Reis, wird über kurz oder lang an den Elbbrücken verschwinden.