“Dieser Raum atmet Freiheit“, sagt Hauptpastorin Ulrike Murmann über die komplett sanierte Kirche. Vom 1. Advent an ist sie geöffnet.

Was für ein Raum! Man tritt ein und fühlt sich frei in dieser Kirche, deren Pfeiler ein hohes Gewölbe tragen, an dem viele goldene Sterne auf blauem Grund leuchten und uns ans Himmelszelt erinnern. Himmelwärts aufstrebend wirkt diese große dreischiffige Kirche, die jetzt ganz in Weiß gehalten ist. In einem Weiß, das nicht karg ist, sondern festlich und leicht. Wer durch das Mittelschiff zum Chor schreitet und sich den sanierten, restaurierten Raum Schritt für Schritt erschließt, der von allen entstellenden Einbauten befreit und nun von hellem Tageslicht durchflutet ist, fühlt sich klein, aber nicht verloren, sondern aufgehoben und geborgen. Fünf Jahre hat die Sanierung der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen gedauert, aber das Resultat ist wunderbar und macht dieses alte Gotteshaus zu einem völlig neuen Erlebnis für die Menschen, die es jetzt endlich wieder besuchen können.

St. Katharinen ist eine Kirche mit einem besonderen Schicksal. Und das lässt sich nicht übersehen in diesem Raum, der nur sparsam ausgestattet ist. In einem Visitationsbericht aus dem frühen 16. Jahrhundert werden noch 23 Altäre erwähnt. Im Jahr 1593, also mehr als 70 Jahre nach der Einführung der Reformation in Hamburg, wurde der mittelalterliche Hauptaltar sogar noch einmal erneuert. Erst Mitte des 17. Jahrhunderts musste er einem Nachfolger weichen. Viele Teile der reichen Renaissance- und Barockausstattung gingen am 30. Juli 1943 in Flammen auf, als der Feuersturm Hamburg erfasste und auch St. Katharinen von Bomben getroffen wurde. Heute besitzt die Kirche nur noch wenige alte Kunstwerke; in ihrem Chor steht anders als in vielen anderen mittelalterlichen Kirchenbauten kein prächtiger gotischer Schnitzaltar, sondern ein dreigeteilter Altaraufsatz aus vergoldeter Bronze aus den 1950er-Jahren. Der Zürcher Bildhauer Otto Münch hat im Mittelteil das Pfingstwunder dargestellt, die beiden Außentafeln zeigen Osterszenen.

Das große Chorfenster dahinter kommt nach der Sanierung besonders gut zur Geltung. Es wurde 1955 von dem bedeutenden Glaskünstler Hans Gottfried von Stockhausen geschaffen und bezieht sich auf die dritte Strophe des Liedes "Wachet auf, ruft uns die Stimme". Dort heißt es: "Gloria sei dir gesungen, mit Menschen und mit Engelszungen". Gedichtet wurde dieses populäre Kirchenlied von Philipp Nicolai, der von 1601 bis 1608 Hauptpastor an St. Katharinen war.

Einer seiner Nachfolger war übrigens Johann Melchior Goeze, der streitbare lutherisch-orthodoxe Theologe, mit dem Lessing im intellektuellen Disput die Klinge gekreuzt hatte, was schließlich im Drama "Nathan der Weise" Früchte trug und Teil der europäischen Geistesgeschichte wurde.

Geist und Macht, Glaube und Kunst, Gebet und Musik verbinden sich mit dieser Kirche, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts am Hafen erbaut wurde. Im Jahr 1274 nennt eine Urkunde erstmals das damals neue Kirchspiel. Schon einige Jahre früher, nämlich 1256, ist eher beiläufig von einer Kirche die Rede, die der heiligen Katharina geweiht war. Das Bauen auf der sumpfigen Marschinsel Grimm dürfte von Anfang an schwierig gewesen sein. Die älteste Katharinenkirche war eine kleine dreischiffige Stufenhalle auch aus Backstein. Über die Umstände, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts einen Neubau notwendig machten, wissen wir leider nichts. Das heutige Bauwerk entstand zwischen 1380 und 1450 als gotische Pfarrkirche für die Marschinseln Grimm und Cremon.

Es ist ein merkwürdiger Bautyp, der architekturgeschichtlich etwas aus dem Rahmen fällt: Weder ist es eine gotische Hallenkirche (mit gleich hohen Kirchenschiffen), noch wurde hier das Konzept einer klassischen Basilika verwirklicht. Zunächst war offenbar eine dreischiffige Halle geplant, erst in der letzten Bauphase entschied man sich dafür, das Mittelschiff gegenüber den Seitenschiffen zu erhöhen. Im Gegensatz zu einer Basilika haben die erhöhten Wände des Hauptschiffs aber keine Obergadenfenster, durch die Tageslicht einfallen könnte, sondern nur fensterähnliche Nischen; denn man ersetzte die separaten Dächer der Seitenschiffe durch eine alle Schiffe gemeinsam überspannende Dachkonstruktion.

Über alle Zeiten hinweg hat sich der Turmschaft aus dem 13. Jahrhundert erhalten, bei dem es sich um das älteste aufrecht stehende Mauerwerk Hamburgs handelt.

Bauforscher, Denkmalpfleger und Archäologen hatten die Chance, während der Sanierung den Geheimnissen des mehr als 750 Jahre alten Bauwerks nachzuspüren. Dabei entdeckten sie zum Beispiel ein bis dahin völlig unbekanntes Doppelportal an der Nordseite, das nun erstmals wieder freigelegt und damit sichtbar gemacht wurde.

Wenn wir dem Altar den Rücken kehren und uns nach Westen wenden, sehen wir die wohl größte Veränderung innerhalb des Kirchenraums: Wie ein riesiger Tisch wirkt die neu geschaffene Chorempore, die damit klar als modernes architektonisches Element zu erkennen ist. Direkt darüber erhebt sich der rekonstruierte Prospekt der berühmten Orgel, deren Klang bereits Johann Sebastian Bach gerühmt hatte.

Nein, fertig ist die Rekonstruktion des Instruments noch nicht, erst im Sommer nächsten Jahres werden wir dieses barocke Klangwunder erleben können. Die Stiftung Johann Sebastian Bach finanziert die Wiedergeburt dieser Orgel, in der 520 originale Pfeifen bald wieder das ursprüngliche Klangbild hervorzaubern werden.

Aber schon jetzt wird St. Katharinen von Musik erfüllt sein, zu den Gottesdiensten im Advent, zu Andachten und Konzerten. "Endlich wieder offen!" heißt das Motto, unter dem die Gemeinde St. Katharinen und die ganze Stadt ihre Kirche wieder in Besitz nehmen wird. Da ist viel Vorfreude und auch ein bisschen Ungeduld zu spüren, immerhin war die lange Umbauzeit mit großen Einschränkungen verbunden. 915 Mitglieder hat die Gemeinde zurzeit, und es werden immer mehr. Die alte Hauptkirche, die im späten 19. Jahrhundert durch den Bau der Speicherstadt und dann noch einmal 1943 infolge der Kriegszerstörungen ihre Gemeinde verloren hat, ist für viele Menschen wieder zur Heimat geworden.

Seit mehr als einem Jahrzehnt wächst die Gemeinde, denn zum Einzugsbereich gehört nun die HafenCity. "Wir sind noch immer die Kirche des Hafens, aber wir engagieren uns auch für soziale Netzwerke, sind Mitbegründerin der Katharinen-KiTa und anderer Initiativen und bilden ein Scharnier zwischen der HafenCity und dem Rathaus", erklärt die Hauptpastorin Ulrike Murmann, die begeistert über diesen Brückenschlag zwischen Geschichte und Zukunft erzählen kann.

Und wie erlebt sie ihre Kirche nach der Sanierung? "Ich liebe die Höhe und die Helligkeit, die diesem Raum eine ganz eigene Würde verleihen. Wer die Kirche betritt, dessen Blick wird nach oben gelenkt, mitten hinein in den Himmel des Gewölbes mit seinen wunderschönen Sternen", sagt Ulrike Murmann und fügt hinzu: "Dieser Raum atmet Freiheit."