Der Vorsitzende des Betriebsrats für das Werk Hamburg Jan-Marcus Hinz fordert mehr Festangestellte und warnt vor Überlastung.

Hamburg. Airbus ist auf Erfolgskurs: Das Unternehmen peilt in diesem Jahr einen neuen Produktionsrekord an, hat einen Auftragsbestand von rund 4400 Jets und schafft rund 1000 zusätzliche Arbeitsplätze allein in Deutschland - die meisten davon in Hamburg. Doch 2012 ist auch ein Jahr der Veränderungen: Der Flugzeugbauer hat eine neue Führung bekommen, die den Werken mehr Kompetenzen zugestehen will, außerdem wurde der Bau eines neuen Standorts in den USA beschlossen. Das Abendblatt sprach darüber mit Jan-Marcus Hinz, Vorsitzender des Betriebsrats für das Werk Hamburg.

Hamburger Abendblatt: Im Jahr 2015 soll ein neues Airbus-Endmontagewerk in den USA den Betrieb aufnehmen. Wie beurteilen die Arbeitnehmervertreter hier in Deutschland die Pläne?

Jan-Marcus Hinz: Wir stehen der Expansion des Unternehmens nicht im Weg. Ich denke, das neue Werk nützt auch den Beschäftigten in Deutschland. Und zumindest bis 2020 muss sich bei Airbus niemand Sorgen um den Job machen, denn im Zukunftstarifvertrag wurde eine Sicherung der Standorte und der Arbeitsplätze bis dahin festgeschrieben. Es muss aber festgelegt werden, dass sich nicht in schlechten Zeiten die Anteile bei der Endmontage von Flugzeugen auf Kosten der europäischen Werke und zugunsten von Mobile/Alabama verschieben. Ich möchte nicht erleben, dass sich bei uns - wie in der Autoindustrie - die Werke untereinander Konkurrenz machen.

Kann man die Erfahrungen, die mit dem seit 2008 bestehenden Werk in China im Hinblick auf die Beschäftigung gemacht wurden, auf die geplante US-Produktion übertragen?

Hinz: Die Eröffnung des Endmontagewerks in Tianjin hat nicht zur Verlagerung von Tätigkeiten geführt, sondern Arbeitsplätze in Europa geschaffen. Aber es gibt einen Unterschied zu dem geplanten Standort Mobile: Die Entscheidung für das Werk in China war verbunden mit Absatzzusagen für den dortigen Markt.

Die Airbus-Führung hat entschieden, dass Werksleiter künftig mehr Kompetenzen erhalten sollen und zum Beispiel Personal zwischen den einzelnen Programmen hin- und herschieben dürfen. Wie stehen Sie dazu?

Hinz: Wir haben so etwas immer gefordert. Entscheidungen gehören dorthin, wo sie nötig sind - in die Werke. Heute krankt es oft an den langen Wegen, wenn der fachlich Verantwortliche etwa in Großbritannien oder in Spanien sitzt.

Mit dem in diesem Jahr nach heftigen Auseinandersetzungen unterschriebenen Zukunftstarifvertrag soll eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmervertretung und Geschäftsleitung Einzug halten. Spüren Sie davon schon etwas?

Hinz: Auf jeden Fall hat sich die Gesprächskultur zum Besseren gewandelt. Wir reden jetzt offener auch über heikle Themen wie zum Beispiel die Fremdvergabe von Tätigkeiten. "Beteiligung" war eines der Stichworte in dem Vertrag. Neu ist, dass Vertrauensleute der IG Metall den Prozess der Optimierung von Arbeitsabläufen begleiten. Das begrüßen wir, denn Dinge, die man mitgestaltet hat, trägt man dann auch mit. Ich sehe aber noch Verbesserungsbedarf, was die Einbindung der Beschäftigten direkt angeht.

Wie steht es mit den Verbesserungen bei der Produktivität, die die Arbeitnehmerseite im Zukunftstarifvertrag zugesichert hat?

Hinz: Es sind dazu sehr, sehr viele Vorschläge von den Mitarbeitern eingegangen. Noch sind nicht alle Vorschläge gesichtet. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass sich damit spürbare Produktivitätssteigerungen erreichen lassen.

Seit Juni ist eine neue Airbus-Führung im Amt, mit dem Franzosen Fabrice Bregier an der Spitze. Was erwarten Sie sich von ihm?

Hinz: Zunächst einmal freue ich mich, dass Bregier selbst den Vorsitz des Aufsichtsrats der Airbus Operations GmbH, also der Deutschland-Tochter in Hamburg, übernimmt. Wenn man Integration propagiert, ist es gut, wenn man sich mit der speziellen Situation in den einzelnen Ländern beschäftigt. Ich denke, dass er auch hier eine gute Figur machen wird.

Im Oktober hat Airbus die Produktionsrate bei den Kurz- und Mittelstreckenjets der A320-Fmilie auf den Rekordwert von 42 Maschinen pro Monat angehoben. Gab es dabei Probleme?

Hinz: Natürlich quietscht es am Anfang. In einigen Bereichen ist nicht genug Personal aufgebaut worden. Aber man darf nicht vergessen: Airbus hat die Fertigungsrate gesteigert, weil die Auslastung rein rechnerisch für sieben Jahre reicht. Welche Industrie hat schon ein Auftragsbuch wie dieses? Das erleichtert uns manche Gespräche. Nur: Die Beschäftigten dürfen durch das hohe Tempo nicht zu Schaden kommen. Ich gehe davon aus, dass im nächsten Jahr die Zahl der Mitarbeiter noch einmal deutlich ausgeweitet wird, denn sonst funktioniert es nicht.

Was hat sich zuletzt bei den Leihkräften, die für Airbus arbeiten, getan?

Hinz: Eine Zahl von 6000 Leiharbeitern in Hamburg, wie wir sie während des Anlaufs der A380-Produktion hatten, war letztlich nicht gesund - zumal es für das Unternehmen teuer ist. Heute haben wir am Standort noch knapp 3000 Leihkräfte. Das sind bei insgesamt 12 200 fest angestellten Beschäftigten noch immer zu viele.

Ist die Zahl der Leiharbeiter aber nicht auch deshalb gesunken, weil Airbus vielen von ihnen eine Festanstellung angeboten hat?

Hinz: Ja, in diesem Jahr hat Airbus bis Ende September rund 500 von ihnen übernommen. Damit sind wir auf dem richtigen Weg, aber das reicht mir noch nicht. Ich bin kein Freund der Leiharbeit, wenn sie nicht - wie etwa in Frankreich - zeitlich begrenzt ist. Leihkräfte sollten dazu da sein, kurzfristige Arbeitsspitzen abzudecken. Außerdem denke ich, dass man den Menschen, die für ein Unternehmen arbeiten, Planungssicherheit geben muss und sie nicht über viele Jahre im Ungewissen lassen darf, wie lange sie noch gebraucht werden.

In der Bundesregierung ist man besorgt darüber, dass im Airbus-Management immer mehr Positionen von Franzosen übernommen werden. Macht das auch Ihnen Sorgen?

Hinz: Das ist ein Thema, das ich gemeinsam mit meinen französischen Kollegen im Europäischen Ausschuss Airbus angehen werde. Denn das hat überhaupt nichts mit Nationalismus zu tun: In einem Konzern wie EADS, an dem Staaten maßgeblich beteiligt sind, muss über Proporz gesprochen werden.

Sind Sie froh, dass es nicht zu einer Fusion der Airbus-Muttergesellschaft EADS mit dem britischen Konzern BAE Systems gekommen ist?

Hinz: Wenn die Konzernleitung bereit gewesen wäre, Zusagen zur Standort- und Arbeitsplatzsicherung zu machen, hätte man letztlich über alles sprechen können. Aber es gab Gründe, skeptisch zu sein. BAE ist ein Rüstungsunternehmen, und die Rüstungshaushalte gehen in allen europäischen Ländern zurück. Außerdem wäre Airbus dann nicht mehr die größte Sparte im Konzern gewesen. Damit wäre es für uns nicht einfacher geworden.