Senats-Richtlinie darf nicht Müllwerker den Job kosten

Die Leiharbeiter der Stadtreinigungs-Tochter Wert GmbH waren sauer, als sie die Kündigung erhielten. Sauer, nicht etwa auf ihre Leiharbeitsfirma, die sie entlässt. Sauer, nicht etwa auf die Wert GmbH, in der sie jahrelang unfair bezahlt wurden. Nein, sie waren sauer auf Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Weil er per Richtlinie durchsetzt, dass Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten wie die Stammkräfte in städtischen Betrieben.

Das Geschäftsmodell, mit dem sich städtische Firmen auf Kosten der Mitarbeiter bereichert haben, funktioniert damit nicht mehr. Und die Leiharbeiter werden plötzlich nicht mehr gebraucht. Sie sind zu Opfern eines Systems geworden, das ihnen eigentlich feste Jobs bringen sollte.

Es kam anders: Das Prinzip "gleiche Arbeit - gleicher Lohn" wurde durch den Abschluss von Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranche umgangen. Und diese Tarife sind selbstverständlich niedrig.

Deshalb wurde die Zeitarbeitsbranche zu einem Milliardenmarkt. Rund 870 000 Leiharbeiter gibt es in Deutschland - ihre Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren versiebenfacht.

Leiharbeit bedeutet im Vergleich zu normalen sozialversicherungspflichtigen Jobs: schlechtere Bezahlung, größere Kündigungsgefahr, mehr Stress. Häufig gilt das Prinzip: einmal Leiharbeit, immer Leiharbeit. Mit diesen Bedingungen haben sich viele Zeitarbeiter abgefunden.

Doch darf sich die Politik damit abfinden? Über Jahre hinweg haben städtische Vertreter in den Aufsichtsräten der öffentlichen Unternehmen nichts gegen die Ausbeutung der Leiharbeiter getan. Dass der Senat jetzt verbindliche Regeln für den Einsatz und die Bezahlung von Leiharbeitnehmern aufstellt, ist gut. Aber der Senat sollte auch darauf hinwirken, dass die langjährigen Leiharbeiter nicht arbeitslos, sondern in den Firmen, in denen sie viele Jahre gearbeitet haben, übernommen werden.

In der Privatwirtschaft geht das Geschäft mit Dauer-Leiharbeitern derweil munter weiter. Dagegen gibt es nur ein Mittel, das überfällig ist: einen flächendeckenden Mindestlohn.