Warum wollen junge Menschen für die Grundrechte eintreten? Gestern wurden 95 Jungbeamte vereidigt. Wir haben mit dreien gesprochen.

Altstadt. Safiye Celik strahlt wie einer dieser drei riesigen Lüster mit ihren insgesamt fast 900 Lampen, die von der Decke herabhängen. Sie steht im großen Festsaal des Hamburger Rathauses, in ihrer neuen, blauen Uniform, an dem noch kein Namensschild haftet, lächelt und kann gar nicht mehr aufhören damit. Es ist ihr Tag. "Ein großer Tag", wie sie findet. Gerade ist die 20-Jährige - wie 94 weitere angehende Polizeimeister und Kommissare im Alter von 18 bis 37 Jahren - vom Staatsrat der Innenbehörde, Volker Schiek, vereidigt worden. Zuvor hat Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch den Jungbeamten mit Blick auf die Morde der NSU-Terroristen mahnend ins Gedächtnis gerufen, wie wichtig es ist, "entschlossen für die Freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten".

Safiye Celik gehört zu einer der am stärksten von der Hamburger Polizei umworbenen Bevölkerungsgruppe: Sie ist jung, qualifiziert und hat einen Migrationshintergrund. 23 der gestern vereidigten 95 Polizeianwärter stammen aus anderen Ländern, unter anderem aus Polen, USA, Russland, der Türkei und Afghanistan. Mit 16,1 Prozent ist der Anteil der Jungbeamten mit Migrationshintergrund in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor. Im Vorjahr waren es nur elf Prozent. Ein Anstieg, der vor allem auf gezielte Image- und Werbekampagnen zurückzuführen sei, sagt Polizeisprecher Holger Vehren.

Dass es die Jungbeamten überhaupt bis zur Vereidigung geschafft haben, ist eine Leistung für sich. Die Anforderungen der Polizei an die Anfänger sind enorm, nur jeder 30. Bewerber meistert den Einstellungstest und wird eingestellt. Bewerber mit Migrationshintergrund haben vor allem mit den sprachlichen Hürden zu kämpfen.

"Umso stolzer bin ich, dass ich es gepackt habe", sagt sie. Aber dafür habe sie ja auch den ganzen Sommer gelernt.

Schwache Bewerber sind nicht das einzige Problem der Hamburger Polizei - sie hat es immer schwerer, junge Menschen für den Polizeidienst zu begeistern. So bietet Hamburg weniger attraktive Konditionen als etwa Mecklenburg-Vorpommern, wo Beamte in den Genuss der sogenannten freien Heilfürsorge kommen. Ob auch ihre Hamburger Kollegen sich künftig nicht mehr an den Gesundheitskosten beteiligen müssen, wird zurzeit intensiv in der Innenbehörde erörtert. Immerhin hat der Senat die 2007 abgeschaffte Alimentation des Grundstudiums an der Polizeihochschule rückgängig gemacht: Seit Oktober 2012 werden die Studenten in den ersten acht Monaten ihrer Ausbildung wieder finanziell unterstützt.

Jahr für Jahr müssen mindestens 250 Nachwuchskräfte eingestellt werden, damit die in Pension gehenden Beamten rechtzeitig ersetzt werden können. Für 2012 hat die Polizei das Quorum erfüllt; von den 5569 Männern und Frauen, die sich beworben hatten, wurden 261 eingestellt. Die Polizeigewerkschaften gehen indes davon aus, dass der demografische Wandel das Buhlen um den Nachwuchs noch verschärft.

Jeder dritte Beamte werde in den nächsten zehn Jahren in Pension gehen, sagt der neue Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch. Viele ältere Kollegen würden schon jetzt nicht mehr vom Schicht- in den Innendienst versetzt - und müssten entsprechend länger auf der Straße arbeiten. Die Folgen seien absehbar: Immer mehr Beamte würden sich krankmelden, während immer weniger Polizisten ihren Dienst versähen.

Um das Personalreservoir aufzufüllen, wirbt die Polizei gezielt um Bewerber mit Migrationshintergrund, ihr Anteil soll künftig auf 20 Prozent steigen. Im Fokus stehen junge Menschen mit ausländischen Wurzeln, Menschen wie Safiye Celik. Die 20-Jährige ist in Kiel zur Welt gekommen, ihre türkischen Eltern seien "bestens integriert". Für sie ist ihre Heimatsprache ein Pluspunkt, "vor allem, wenn ich als Polizistin in Kontakt mit anderen türkischstämmigen Menschen komme", sagt sie. "Und vielleicht diene ich so Frauen aus der Türkei in gewisser Weise auch als Vorbild."

Seit Jahren steigt auch der Anteil der Jungbeamten, die zuvor schon in einem anderen Beruf gearbeitet haben. Unter den jetzt vereidigten Beamten befinden sich unter anderem Zahntechniker, Buchbinder und IT-Techniker. In begründeten Ausnahmefällen dürfen die "Quereinsteiger" sogar älter sein als 34 Jahre. So wie Markus Matthiesen, 37. Er war in den 90er-Jahren Schiffsmechaniker, dann Kameramann bei einem Privatsender, jetzt ist er angehender Wasserschutzpolizist. "Gereizt haben mich vor allem der maritime Bezug und die guten Berufsbedingungen", sagt Matthiesen. Er lebt mit seiner drei Jahre alten Tochter und seiner Verlobten in Barmbek. "Jetzt, mit 37 Jahren, etwas ganz anderes zu machen, war ein Wagnis. Aber ich habe es gemacht, weil mein Herz dran hängt", sagt er.

Eine Bauchentscheidung war es auch für Kommissaranwärterin Pia-Sophie Buttke. Die 19-Jährige überlegte nach dem Abitur: "Psychologiestudium oder Polizeidienst? Letztlich war mir das Studium zu theoretisch, also habe ich mich, wie schon mein Vater, für die Polizei entschieden." Zurzeit macht sie ein Praktikum in einer Wache in St. Georg, etwa zwei Jahre dauert ihr Studium an der Polizeihochschule noch. Pia-Sophie Buttke ist überzeugt, dass die Polizei auch modernen Frauen gute Arbeitsbedingungen bietet. Rund 2500 der 10 000 Beamten und Mitarbeiter der Hamburger Polizei sind weiblich. "Ich bin sicher, dass ich bei der Polizei in späteren Jahren Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren kann", sagt sie. "Und mehr Selbstbewusstsein kriegt man durch den Job auch."