Mehr als 1000 Lebensjahre bringen die Mitwirkenden beim Circus Mignon, der am Wochenende in Iserbrook stattfand, in die Manege.

Iserbrook. Es glitzert und funkelt. In der Manege, auf den Kostümen und Requisiten, unter der Kuppel im rot-blauen Zirkuszelt. Eine Zauberin im weinroten Samtmantel holt am laufenden Band Schirme aus einem Köcher, ein Pierrot im schwarz-weißen Kostüm zaubert Flaschen und Gläser hervor. Bunte Clowns geben den dummen August und machen ihre Späße, während der Weißclown ein ernstes Gesicht aufsetzt und majestätisch hin und her schreitet. Buntes, fröhliches Chaos im Zelt auf dem Grundstück Osdorfer Landstraße 380, die Zuschauer lachen und klatschen begeistert bei den beiden Vorstellungen des "SeniorenCircus Mignon" am Wochenende.

18 Männer und Frauen zwischen 61 und 73 Jahren haben fast ein Jahr lang unter Leitung von Zirkusdirektor Martin Kliewer geprobt, geübt und einstudiert. Das Ensemble hatte sich nach einem Aufruf auf der Abendblatt-Seite "Von Mensch zu Mensch" gegründet.

Jetzt bringen die Senioren zusammen mehr als 1000 Jahre in die Zirkusmanege und präsentieren in ihrem Programm "Der rote Faden" eine junge, unverbrauchte und kindlich verspielte Show. Die Inszenierung ist ein selbstironischer Versuch, einen Blick auf das Leben und seine Verknüpfungen zu werfen.

Dabei sollen nicht die gleichwohl beachtlichen artistischen Höchstleistungen im Vordergrund stehen, sondern die Poesie und der Humor. Zu Balkan-Pop, bayerischer Blasmusik und französischen Chansons entführen die Clowns und Trapezkünstler, Zauberer und Jongleure die Zuschauer in die Welt der Illusion.

Helga, 61, und Karina, 64, tragen schwarze Gymnastikanzüge mit roten Schärpen bei ihrer Trapeznummer. Gekonnt und mit Körperspannung zeigen sie ihre Übungen hoch über dem Boden. Der Jubel des Publikums ist ihr Lohn. "Ich fühle mich sehr gut", sagt Karina nach der Premiere. Sie hat früher geturnt, "deshalb habe ich jetzt auch keinen Muskelkater." Ihre Partnerin Helga kommt vom Ballett. "Es macht so viel Spaß, ich werde wohl noch mit dem Gehwagen am Seil hängen."

Siegfried hat zusammen mit seiner Frau Lenore, 69, eine Feuernummer einstudiert. "Im Sommer war ich sehr krank und dachte schon, ich müsste aufhören", sagt der 70-Jährige. "Aber die Proben waren mit Übungen für Koordination und Kondition für mich der beste Reha-Sport."

Zirkusdirektor Martin Kliewer ist stolz auf seine Truppe und sehr zufrieden. "Es ist schön, wenn Menschen über 60 sich trauen, noch einmal etwas ganz Verrücktes zu tun", sagt der 56-Jährige, der sich durch seine Arbeit mit Kindern in Hamburg einen Namen gemacht und schon auf Sylt mit Senioren Zirkus inszeniert hat. "Und ich stehe dafür, dass es überhaupt nicht peinlich wird."