Das "kleinste Gotteshaus der Welt" steht derzeit im Stadtteilkulturzentrum Goldbekhaus in Winterhude: Es misst 83 Quadratzentimeter, war ehemals ein Passbildautomat, und ist heute ein "Gebetomat". Religion "to go": Eine weibliche Computerstimme lädt ein, den Bildschirm anzutippen und sich spirituell beschallen zu lassen von einem Gebetssammelsurium aus verschiedenen Konfessionen und Religionen. Der rote Kasten mit den frommen Klängen ist eine irgendwie liebenswerte und auch ein wenig absurde Erinnerung an religiöse Praxis und Erfahrung. Das mittendrin sogar ein Text der Sekte Scientology zu finden ist, wirkt befremdlich, wie die Auswahl überhaupt recht willkürlich scheint. Doch Irritationen und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht. "Mich interessierte die Spannung zwischen unserer automatisierten Welt und der Intimität des persönlichen Gebets", sagt der Berliner Künstler Oliver Sturm über sein Werk.

Aber wie gelingt es, die Brücke zu schlagen zwischen Technik und Intimität, wie den Link zum Herzen wiederherzustellen?

Ein Mann schrieb mir vor einiger Zeit von der Heilung seiner Depression - dunkle Zeiten, Jahre im Leid. Trotz allem habe er jeden Tag den 23. Psalm gebetet, morgens und abends: "... und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir ..."

Eines Morgens sei ihm bei diesem Satz plötzlich ein Licht aufgegangen. "Da war tatsächlich das Gefühl, als breite sich Licht und Wärme aus in mir, ein ganz körperlicher Vorgang, und ich fühlte mich, als wäre ich aus der Zeit gefallen. Ich wusste plötzlich: Ich bin wirklich nicht allein! Heute kann ich sogar wieder arbeiten ..."

"Steter Tropfen höhlt den Stein", kommt mir in den Sinn. Viele Jahre hat sich da einer sehr einsam gefühlt in seinem Seelendunkel und trotzdem zweimal am Tag gebetet, dem Widerspruch gegen die eigene Verzweiflung eine Stimme gegeben: "Ich fürchte kein Unglück, denn Du bist bei mir!" Beten ist auch eine Sache, die geübt sein will. Dann können sich äußere Worte in innere Kräfte verwandeln. Die Seele öffnet sich für Einsichten, denen mit Irritationen aus Automaten nicht beizukommen ist.