Neustadt. Es war an einem Mittwoch im März, als sie ein Stück von ihrem früheren Leben zurückbekamen. Als sie endlich beginnen konnten, wieder ein wenig freier zu atmen und etwas ruhiger zu schlafen, und die Angst ihnen nicht mehr vollständig die Lebensfreude abschnürte. Bei der Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" erfuhr das Rentnerehepaar, dass ihre Peiniger nach einem Dreivierteljahr des Bangens von der Polizei gefasst und hinter Gittern sind. Die beiden Männer, die sie mit fingierten Autoinseraten in einen Hinterhalt gelockt, überfallen und ihnen eine Menge Bargeld geraubt hatten.

Vor allem aber verschwand mit dem Geld auch der Haustürschlüssel der Opfer und damit das Gefühl, in ihrem Heim sicher zu sein, dahin waren ihre Unbeschwertheit und die Lebensqualität. "Es war eine permanente Drohung. Wir haben uns verriegelt", erzählt ein Zeuge jetzt im Prozess vor dem Landgericht. "Die Angst hat uns stets begleitet, man ist damit eingeschlafen und damit aufgewacht."

Opfer Martin T. hat sich wie seine Frau Gesine (alle Namen geändert) vor der erneuten Begegnung mit den Verbrechern gefürchtet. Doch es ist vor allem der Angeklagte Alexander G., 24, dem gemeinsam mit seinem elf Jahre älteren Komplizen Gert H. unter anderem schwerer Raub vorgeworfen wird, der bei diesem Wiedersehen vor Gericht nervös und fahrig wirkt. Der Blick des blassen jungen Mannes irrt rastlos hin und her, die Hände sind ständig in Bewegung. Und wie so oft in diesem Verfahren wirkt er den Tränen nahe. Der zweite Mann auf der Anklagebank, mehrfach vorbestraft und mit einigen Jahren Gefängniserfahrung, scheint dagegen die Ruhe selbst.

Schon zu Prozessbeginn hatten beide angeklagten Männer die ihnen vorgeworfenen Raubüberfälle auf ahnungslose Opfer gestanden. Über Anzeigen für angeblich besonders reizvolle Autoangebote hatten sie Interessenten nach Hamburg und damit in die Falle gelockt. "Günstig, sofort, gegen bar", hatte es in den Inseraten geheißen, in denen unter anderem ein gebrauchter Mercedes der Luxusklasse und ein Audi Q 5 angeboten wurden. Alexander G. hatte drei Überfälle begangen, zwei davon mit seinem Komplizen. Der 24-Jährige habe "unter einer erheblichen Drucksituation durch andere Leute" gestanden, die ihn gezwungen hätten, die Autoanzeigen aufzugeben, hatte der Verteidiger des jungen Mannes angegeben. "Er hatte Angst um seine Familie und Freunde." Alexander G. selbst hatte erzählt, er sei "von der Mafia" zur Tat gezwungen worden, die ihm mit dem Tod gedroht habe. Doch bei Nachfragen verlor er sich im Vagen.

Ganz anders als bei den Verbrechen, bei denen er und sein Komplize Gert H. ihre Opfer mit knappen und deutlichen Worten einschüchterten und ausraubten. "Das ist ein Überfall, Geld raus", forderten die Männer und drohten mit vorgehaltener Waffe dem Rentnerehepaar, das im Glauben, mit 49 000 Euro für sein Traumauto aus zweiter Hand einen guten Kauf zu machen, von Dortmund nach Hamburg gereist war. Das Bargeld hatte das Ehepaar unter sich aufgeteilt, und so erbeuteten die Täter immerhin 27 500 Euro, als sie der Frau ihre Handtasche entrissen und flüchteten. "Meine Frau erlitt einen Schock und musste in eine Klinik", erzählt ihr Mann jetzt im Prozess. Auch hätten sie nach der Tat psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Der finanzielle Verlust sei schmerzlich gewesen, sagt er, doch der seelische Schaden stelle das noch in den Schatten.

Da war mit dem Verlust des Haustürschlüssels die Angst, erneut überfallen zu werden, obwohl sie zügig die Schlösser austauschen ließen. "Wir haben immer über die Gefahr geredet", erzählt Opfer Martin T. "Wir dachten an eine große Bande." Vor allem aber sei der eigentliche Überfall "die schlimmste Situation meines Lebens gewesen", sagt der Mann über den Moment, der ihn hilflos dastehen ließ und voller Furcht. Es war die Erkenntnis, dass er seine Frau vor der Übermacht der bewaffneten Verbrecher "nicht beschützen konnte".

Ein anderes Opfer berichtet von seinen Tränen und von seinem Zusammenbruch, als ihm beim Versuch, ein Auto zu kaufen, gedroht und eine Schusswaffe gezeigt wurde, die im Hosenbund eines der Verbrecher steckte. Er habe sein Geld aushändigen müssen, erzählt der Zeuge. Dann aber habe er gefleht, wenigstens seinen Pass und 200 Euro für die Rückfahrt in seine Heimatstadt zurückzubekommen, berichtet der 24-Jährige aus Nordrhein-Westfalen. Bis zu dem Überfall habe er es als berufliche Erfüllung angesehen, im Auftrag eines Autohändlers durch Deutschland zu reisen und Wagen zu überführen. Seit dem Überfall könne er lediglich Bürotätigkeiten ausüben und traue sich abends nur noch in Begleitung aus dem Haus.

Dreieinhalb Jahre Haft unter anderem wegen schweren Raubes und schwerer räuberischer Erpressung lautet schließlich das Urteil des Landgerichts gegen Alexander G., sein mehrfach vorbestrafter Komplize Gert H. muss für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Die beiden Angeklagten seien nach einer "besonders perfiden Masche" vorgegangen, sagt der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung über die Taten. "Und die kriminelle Energie war hoch." Alexander G. hat mittlerweile das erbeutete Geld zurückgezahlt. Eine Geste der Entschädigung, ganz sicher. Doch die verbliebenen Wunden an den Seelen der Opfer kann das nicht heilen. Vielleicht vermag es die Zeit.