Einen Supermarkt um die Ecke? Gibt es auf der Nordseeinsel nicht. Aber wie organisieren die Bewohner dann ihre Einkäufe?

Neuwerk. "Als ich am Großneumarkt gewohnt habe, war es kein Problem, wenn ich beim Einkaufen zum Beispiel mal etwas für ein Rezept vergessen hatte. An der nächsten Straßenecke war ja ein Discounter", sagt Meike Müller-Toledo. Seit sie im Sommer 2009 als Lehrerin aus der Neustadt auf die ebenfalls zum Bezirk Hamburg-Mitte gehörende Nordseeinsel Neuwerk zog, hat sich ihr Einkaufsverhalten stark verändert. Denn auf dem Eiland im Wattenmeer gibt es keinen "Discounter an der Ecke". Deshalb war Müller-Toledos erste wichtige Erkenntnis als Neu-Insulanerin: Wer seine Einkäufe nicht richtig plant, den straft das Leben. Beziehungsweise der Mangel. Denn alles, was man zum täglichen Leben benötigt, muss auf dem Festland beschafft werden.

"Ich habe schnell gelernt, immer Vorräte im Haus zu haben", erzählt die 52-Jährige. So gehört zum Beispiel in der Inselschule seit Jahren neben einer Dienstkühltruhe auch eine Kartoffelkiste zum Inventar. Und dass die Vorratskammer neben der Küche gut gefüllt war, zahlte sich für die Pädagogin "gleich im ersten Insel-Winter" aus. Drei Wochen war Neuwerk da im Eis eingeschlossen: Kein Schiff, kein Pferde-Wattwagen, kein Trecker-Gespann konnte das Eiland erreichen und frische Lebensmittel anliefern.

Zwar gibt es Inselkaufmann Hartmut Lange. Aber dessen Sortiment richtet sich vorrangig an die etwa 120 000 Touristen, die in der Saison - von April bis Oktober - auf die Insel und meist auch in den kleinen Laden kommen. Eis, Snacks, je nach Jahreszeit heiße oder kalte Getränke und Zeitungen gibt es beim Kaufmann an der Turmwurt.

Vor knapp zwei Jahren ist auf Neuwerk eine weitere Einkaufsmöglichkeit hinzugekommen: Im früheren Stallgebäude der Inselschule, wo die Vorgänger von Müller-Toledo als Selbstversorger noch ein bis zwei Schweine mästeten, hat Werner Flegel seinen kleinen Shop "Neuwerkstatt" eröffnet. Der "Ladenhüter", wie sich Flegel selbst scherzhaft nennt, bietet vor allem Neuwerk-Souvenirs an. Dazu zählen alle möglichen Shirts, die der gelernte Schildermaler vor den Augen der Kunden mit verschiedenen Neuwerk-Aufdrucken beflockt.

Aus Eigenproduktion stammen auch die Eier, die bei Meike Müller-Toledo neben dem selbst gebackenen Brot auf den Frühstückstisch kommen: "Es sind 1a-Bioeier, die ich beim Nachbarn kaufe, ich kenne sogar die Hühner persönlich", erzählt sie mit einem Schmunzeln. Nicht nur für den Eierkauf ist eine gute Nachbarschaft im Insel-Alltag hilfreich: Auch für die anderen Lebensmittel hilft es, sich zu organisieren. Da schließt sich die Lehrerin den Familien an, die für ihre Gastronomiebetriebe und sich selbst bei einem Großhändler per Fax, Telefon oder Internet bestellen. Denn der Edeka-Großmarkt Mios in Cuxhaven bietet seinen Großkunden einen Lieferservice an: Die Ware wird auf Rollcontainer gepackt und dienstags und freitags per Lastwagen zum Wattwagenplatz in Sahlenburg - der Cuxhavener Stadtteil liegt Neuwerk direkt gegenüber - geliefert.

Dort laden die Wattwagenbetriebe Fock, Griebel und Fischer die "Rollis" auf ihre Trecker-Gespanne und bringen sie auf die Insel. Die drei Betriebe haben den Markt auf Neuwerk unter sich aufgeteilt. Ob Bier, Fisch, Eis, Möbel oder Ersatzteile - fast alles kommt auf diesem Wege nach Neuwerk. "Auch meine neue Waschmaschine habe ich nach Sahlenburg liefern und dann mit dem Wattwagen zur Schule bringen lassen", berichtet die Lehrerin.

Da die Neuwerker zunehmend im Internet shoppen, bekommt auch "Insel-Postbote" Jochim Wichmann stetig mehr zu tun. Denn neben Briefsendungen liefert der 58-jährige Cuxhavener im Auftrag der DHL auch Pakete und Päckchen auf dem Eiland aus. In den Sommermonaten bringt er sie mit dem Fährschiff "Flipper" aus Cuxhaven auf die Insel, im Winter mit dem Wattwagen der "Wattenpost".