1700 Mediziner versammelten sich im CCH, um gegen gesetzliche Krankenkassen zu protestieren: “Existenzielle Fragen.“

Hamburg. Hamburgs niedergelassene Ärzte stemmen sich mit aller Macht gegen die ihrer Meinung nach zu niedrigen Honorare. Dabei schließen sie aus Protest gegen die gesetzlichen Krankenkassen nicht aus, demnächst auch ihre Praxen im großen Stil zuzusperren. Zwar nehmen die Mediziner das Wort "Streik" nicht in den Mund, doch die Wut ist groß. Von einer Urabstimmung ist die Rede.

"Die Ärzte sind nicht mehr bereit, die Benachteiligung Hamburgs hinzunehmen", sagte Dr. Michael Späth, der Vorsitzende der Vertreterversammlung in der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Trotz der auf Bundesebene vereinbarten Honorarsteigerungen beharren die Praxisärzte auf weitere Zahlungen. "Die Kosten für die Praxen sind in den vergangenen Jahren um elf Prozent gestiegen", so KV-Chef Dieter Bollmann. Das habe auch das Statistische Bundesamt festgestellt. Mit den derzeit zugesagten Geldern könne die KV die Grundversorgung der Hamburger Patienten nicht mehr gewährleisten. Die Zahl der Behandlungsfälle sei in Hamburg überproportional gestiegen.

Durch mehr Pflegefälle in Heimen und viele Hausbesuche nehme die Belastung der Mediziner zu, ohne dass sie dafür ausreichend honoriert würden. Auch im Stadtgebiet gäben Ärzte ihre Praxen auf und verkauften sie an Medizinische Versorgungszentren. In Bergedorf sei ein Fall bekannt geworden, in dem eine Ärztin mit ihrer Praxis 2000 Euro netto im Monat verdiene.

"Die Ärzte fordern Respekt vor ihrer Leistung ein", sagte Bollmann. Der KV-Chef sagte, die Zusagen von Politik, Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung an Hamburg seien nicht eingehalten worden. Deshalb habe die Hamburger KV die eigene Bundesvereinigung vor dem Sozialgericht Berlin verklagt. Die Chancen für einen juristischen Erfolg stünden gut. Auch gebe es keine Ausgleichszahlungen für die Hamburger Ärzte, obwohl jeder dritte Patient in ihren Praxen aus dem Umland komme.

Die Krankenkassen werfen den Ärzten überzogene Forderungen vor. Die KV Hamburg habe in einer regionalen Verhandlungsrunde Steigerungen in Höhe von "weit über 70 Millionen Euro" gehabt. "Dies ist das Dreifache dessen, was auf Hamburg gemäß der Einigung auf Bundesebene entfallen würde. Für solch überzogene Forderungen, für die allein die Versicherten mit ihren Beiträgen aufkommen sollen, fehlt uns jegliches Verständnis", sagte Kathrin Herbst, Leiterin der Landesvertretung des Kassenverbandes Vdek. Von einer "unverhältnismäßigen Forderung im zweistelligen prozentualen Bereich" sprach Vorstand Matthias Mohrmann von der AOK Rheinland/Hamburg.

Ärztevertreter Späth drohte: "Wenn bis zum 21. November kein Angebot der Kassen auf dem Tisch liegt, erklären wir die Verhandlungen für gescheitert." Dann drohten weitere Proteste und ein "Dialog mit den Patienten". Dadurch wollen die Ärzte die Versicherten auf die Situation aufmerksam machen. Die Kassen säßen auf Milliardenreserven, die in die medizinische Versorgung fließen sollten.

Der Hamburger Hausarzt Dr. Stephan Hofmeister sagte, das seien keine bloßen Parolen. Den Ärzten der Stadt sei es sehr ernst. Die Vollversammlung am Dienstag im CCH mit 1700 Medizinern und Psychotherapeuten von insgesamt 4500 niedergelassenen Ärzten habe gezeigt, "dass es hier um existenzielle Fragen geht".