Modernisierungsmaßnahmen im Altonaer Museum beschließen das Ende des Traditionsrestaurants. Der Ausverkauf hat begonnen.

Ottensen. Gestern war Ruhetag in der Vierländer Kate im zweiten Stock des Altonaer Museums. Aller Voraussicht nach bleibt dieser Zustand keine Ausnahme: Einem der ältesten und urigsten Restaurants Hamburgs droht das Aus. Wirtsfrau Susanne Perro hat die schriftliche Kündigung erhalten: Zum Jahreswechsel ist auf Dauer Fofftein. Unfreiwillig.

"Mein Herz blutet", sagt die nicht nur im Stadtteil für Leidenschaft und Gastfreundschaft bekannte Gastronomin. "Ein bisschen ist das so, als beerdige man seine Eltern." Ihre Mutter Renate Behrmann hatte den Betrieb in der gediegenen Kate 1975 aufgenommen und die aus dem Ortsteil Krauel des Dorfs Kirchwerder in Originalgröße ins Museum integrierte Speisewirtschaft von 1745 zu einem bürgerlichen Magneten in Ottensen entwickelt. Zwischen 1955 und 1958 war das niederdeutsche Fachhallenhaus nach Ottensen überführt worden. Die Bauweise als Zweiständerhaus mit Eichenbohlenfachwerk, Diele, Flett und Kammerfach blieb erhalten. Dort zu schmausen ist ein Erlebnis an sich.

Wer bodenständige, rustikale Hausmannskost nach traditionellem Rezept mag, kam an den zünftigen Holztischen schmackhaft auf seine Kosten - zu reellen Preisen. Nach alter Hamburger Art frisch zubereitetes Labskaus, Sauerfleisch oder eingelegte Heringe mit knusprigen Speckbratkartoffeln, Matjes nach bewährter Art und vor Ort zubereitete Rote Grütze und Obstkuchen vom Blech haben einen exzellenten Ruf. Außer montags ist täglich von zehn bis 16 Uhr geöffnet. Mancher Museumsbesucher kommt extra wegen der Kate ins Haus.

Auch am Abend schätzen Stammtische, Vereine, die HEW-Senioren oder die "Funkorgel" des NDR das ausgefallene Flair eines Wirthauses, dass seinesgleichen sucht.

Nach dem Tod der Gründerin quittierte Frau Perro ihren Beruf als Zahnarzthelferin, um ihrem Vater Hans-Jürgen in Küche und Gastbereich zur Seite zu stehen. Als auch dieser vor drei Jahren verstarb, übernahm die gebürtige Altonaerin das Geschäft in Eigenregie. "Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll", sagt sie, "für meine Mitarbeiterin, die Aushilfen und auch für mich ganz persönlich."

"Anlass sind unter anderem die anstehenden Umbauten", schrieb der kaufmännische Museumsdirektor Helmut Sander in einer Mitteilung an die Belegschaft. "Da in der Kate die gesamte Küche ausgebaut werden muss, um die dahinterliegenden Fenster sanieren zu können, wird die Kate zukünftig nicht mehr als Gastronomie genutzt werden können." Man bemühe sich um "die Realisierung einer anderen gastronomischen Betreuung möglichst bis zur Wiedereröffnung im Mai 2013".

Was das genau heißt, ist nicht klar. "In jedem Fall bleibt die Kate an sich erhalten", bestätigte Matthias Seeberg, Marketingleiter des Altonaer Museums, gestern dem Abendblatt. "Über die endgültige Nutzung ist noch nicht entschieden." Fest steht, dass die jüngst noch von Schließung bedrohte Kulturinstitution direkt am Bahnhof Altona zwischen Januar und April des kommenden Jahres geschlossen bleibt - Museumsshop sowie Veranstaltungen im Foyer ausgenommen. 1,4 Millionen Euro investiert die Stadt in eine neue Brandmeldetechnik und in die energetische Sanierung von Dächern und Fenstern. Passend zum 150. Geburtstag des Museums soll am 1. Mai 2013 mit einem Tag der offenen Tür Wiedereröffnung gefeiert werden.

Unabhängig von der Beendigung des Mietvertrags für die Vierländer Kate zum Jahresende hätte die Wirtin ihren Betrieb kaum aufrechterhalten können. "Das wäre ein finanzielles Desaster gewesen", meint Susanne Perro, "denn die ersten vier Monate eines Jahres sind stets die umsatzstärksten." Anschließend folge in der auf deftige Kost spezialisierten Gaststätte die Sommerflaute: "Ich kann wirtschaftlich nicht von einem Loch ins nächste fallen." Auf keinen Fall könne sie sich acht Monate ohne Einnahmen über Wasser halten.

Folglich sieht derzeit alles nach einem Schlussstrich aus. Entsprechend düster wirkt die Stimmung bei einem Lokaltermin. "Das Labskaus in der Kate ist das beste weit und breit", befindet eine Dame mit Wollweste.

"Ein solches gediegenes Umfeld inmitten der Stadt ist ein rares Gut", ergänzt ihr Nachbar. Mit Betroffenheit haben auch die anderen Gäste an den Nachbartischen vom im Prinzip beschlossenen Aus gehört. In einem Brief an Freunde des Museums schreibt ein Besucher: "Eigentlich schade, dass solche Maßnahmen immer in irgendwelchen Nacht-und-Nebel-Aktionen zementiert werden." Dem widerspricht die Museumsleitung: Alles sei offen kommuniziert worden. Ein Gemauschel hinter den Kulissen gebe es nicht.

"Das darf doch nicht wahr sein", meint eine junge Frau und weist auf die Zettel auf den Holztischen hin. Oft und gerne komme sie mit ihren Freundinnen auf Kaffee, Kuchen und einen Spaziergang durch das liebevoll eingerichtete Museum. Wer es immer noch nicht glauben mag, erkennt hinten links im Gastraum den Ernst der Stunde. Dort werden Bierkrüge aus Steingut, uralte Kaffeedosen, Porzellan und weitere Erinnerungsstücke aus nun tatsächlich fast vergangenen Tagen feilgeboten. Ausverkauf.

Nur von der rund 200 Jahre alten Brotschneidemaschine will sich Wirtsfrau Susanne Perro nicht trennen. Vielleicht muss sie das gute Stück schon vor Silvester mit nach Hause nach Schnelsen nehmen. "Wir können jetzt ja kaum noch neue Einkäufe tätigen", meint sie mit belegter Stimme. "Wahrscheinlich also müssen wir schon früher schließen."