Ein Kommentar von Heinrich Oehmsen

Der Jazz führt in Hamburg ein recht bescheidenes Nischendasein. Doch im Frühjahr und im Herbst verlässt er die Klubs und Kaschemmen zweimal und pumpt sich gehörig auf. Elbjazz und Überjazz nennen sich die beiden Festivals prägnant und plakativ. Doch sie sind sehr ungleiche Geschwister. Elbjazz mit seinen Bühnen auf dem Werftgelände bei Blohm & Voss ist ein Event, das mehr durch das besondere Hafenambiente als durch sein Programm besticht. Es steht mehr Jazz drauf, als wirklich drin ist. Mainstream und Pop-Acts locken das Publikum im Mai auf die Barkassen, zumal wenn das Wetter so sonnig daherkommt wie in diesem Jahr. Was natürlich keine schlechte Sache ist.

Geboren wurde der Jazz jedoch in den USA, und er ist und bleibt eine originäre afroamerikanische Kunstform - auch wenn weiße Musiker ihn später adaptiert haben und mit ihm oft erfolgreicher waren als die schwarzen Originale. Überjazz hat in diesem Jahr mit seinem Programm diesem historischen Umstand Rechung getragen. Weil es viele afroamerikanische Künstler wie Herbie Hancock, Gregory Porter oder die jungen Wilden des Hypnotic Brass Ensembles in die Kampnagel-Fabrik geholt hat, wurde es seinem Namen in besonderem Maße gerecht. Seit der Bebop 1945 aufkam, ist mit dem Begriff Jazz auch immer das Wort Freiheit verbunden - sowohl sozial als auch künstlerisch. Jazz hatte immer mit Wagnissen und der Öffnung gegenüber anderen Musikformen zu tun. Die Macher des Überjazz haben trotz des ökonomischen Risikos mit ihrem Programm Mut bewiesen. Dafür verdienen sie großen Respekt.