Mærsk-Chef Søren Skou stimmt die Schifffahrtsbranche in Hamburg auf bescheidenere Zeiten ein und verspricht die Abkehr von Preiskämpfen.

Hamburg. So viel Andrang ist selten im Hafen-Klub an den St.-Pauli-Landungsbrücken. 140 Gäste haben sich für den Vortrag angemeldet. Die maritime Wirtschaft der Hansestadt macht an diesem Abend ihre Aufwartung, eine illustre Runde: Die Hafenunternehmer Robert und Thomas Eckelmann unterhalten sich im Gedränge, HHLA-Vorstand Stefan Behn, der Präsident des Hafenunternehmerverbands UVHH, Gunther Bonz, die Reeder Frank Leonhardt und Bertram Rickmers, Hamburg-Süd-Chef Ottmar Gast, Carola Zehle von der Stauerei Carl Tiedemann und viele andere Unternehmer und Manager aus Hafenbetrieben, Reedereien, von Schiffsfinanzierern, aus der Logistikwirtschaft und Industrie.

Denn der Redner des Abends nimmt in der internationalen Schifffahrt eine Leitrolle ein. Die Bilanzen Hamburger Hafen- und Schifffahrtsunternehmen werden nicht nur in Hamburg geschrieben und geprägt, sondern vor allem in Kopenhagen. Dort hat die weltgrößte Reederei Mærsk Line ihren Sitz, ein Unternehmen, das über gut 600 Containerfrachter gebietet. Ein Gigant der maritimen Wirtschaft. Und Søren Skou, 48, ist dessen Chef.

Er wirkt wie der Vorsteher eines mittelständischen Unternehmens, könnte auch Filialleiter einer Krankenkasse sein. Völlig unprätentiös beginnt er seinen Vortrag auf Englisch mit leichtem dänischen Singsang in der Stimme. Eine gute Stunde hat der Hafen-Klub als Redezeit offeriert, aber die braucht Skou nicht. Gut 20 Minuten genügen ihm, um mit einer Epoche abzurechnen. "Unsere Branche hat seit 2008 dramatisch viel Kapital ihrer Eigner verbrannt", sagt er. "In den vergangenen Jahren konnten viele Schifffahrtsunternehmen ihr Wachstum nicht mehr selbst finanzieren. Sie waren abhängig von permanenten Kapitalspritzen ihrer Banken und Anteilseigner."

So drastisch geht selten ein führender Schifffahrtsmanager öffentlich mit seiner Branche ins Gebet. Im voll besetzten Saal herrscht andächtige Stille. Jahrzehntelang lebte die Containerschifffahrt in einem Wachstumsrausch, zwar unterbrochen von Wirtschaftskrisen, aber doch in der Gewissheit, dass wachsender Welthandel und internationale Arbeitsteilung nur mithilfe leistungsfähiger Frachtlinien überhaupt zu organisieren sind. Die Zeit der Gewissheiten jedoch ist vorbei. Die zunehmende industrielle Arbeitsteilung, der globale Transport immer mehr unterschiedlicher Güter im Container, diese Wachstumstreiber seien einstweilen ausgereizt, glaubt der Mærsk-Chef. Hinzu kommen stetig steigende Preise für Schiffsöl und strengere Umweltauflagen. Anstelle von jährlich zehn Prozent Wachstum beim transportierten Containervolumen müsse sich die Branche langfristig auf fünf bis sieben Prozent einstellen. Angesichts der geringen Gewinnspannen in der Linienschifffahrt ist das bescheiden: "Wir werden kämpfen, und wir werden lernen müssen, mit Überkapazitäten bei der Schiffstonnage zu leben", sagt Skou.

Gekämpft hat Mærsk all die Jahre, ohne Kampf wird ein Unternehmen nicht Weltmarktführer. Aber gerade in der zurückliegenden Zeit seit Beginn der Weltfinanzmarktkrise 2008, die Skou als so verlustreich beschreibt, litt die Branche vor allem an einem Duell: zwischen Mærsk und dem Branchenzweiten MSC, einer italienischen Reederei mit Sitz in der Schweiz, deren ehrgeiziger Gründer und Eigner Gianluigi Aponte unbedingt der mächtigste Reeder weltweit werden wollte und vielleicht auch noch will. Das ließen sich die Dänen nicht bieten. Mærsk und MSC bauten ihre Flotten aus, sie unterboten sich und zerstörten die Preise für Containertransporte. Mærsk bezahlte das mit Milliardenverlusten. Auch etliche andere Containerlinien fuhren rote Zahlen ein. "Anfang dieses Jahres wurde ich Chef von Mærsk Line. Das erste Quartalsergebnis, das ich zu verantworten hatte, waren 600 Millionen Dollar Verlust - herzlich willkommen in der Containerschifffahrt", sagt Skou kritisch über die alten Zeiten im eigenen Haus. "Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, dass uns das Ringen um Marktanteile die Bilanzen zerstört."

Seit Jahrzehnten arbeitet Skou im Konzern A.P. Møller-Mærsk, Dänemarks größtem Unternehmen. Jahrelang führte er die Sparte Mærsk Tanker. Doch obwohl er in dem Schifffahrtskonglomerat längst ein Veteran ist, will Skou bei Mærsk Line eine neue, von kaufmännischer Vernunft geprägte Ära repräsentieren. "Wir haben heute 15 bis 16 Prozent Marktanteil an der Containerschifffahrt. Wenn wir 30 Prozent haben wollten, müssten wir weitere 20 Milliarden Dollar investieren. Das wird nicht geschehen", sagt er. "Aber wir wollen unseren Marktanteil halten." Das ist eine Warnung an MSC, keine Seeoffensiven mehr zu riskieren.

Wenn Skou sagt, die Kapazität der Mærsk-Containerflotte werde künftig "mit dem Markt wachsen", klingt das angesichts der schlechten Marktverhältnisse wie eine kaufmännische Banalität. Es fragt sich aber, ob die Großreederei tatsächlich bei dieser Politik bleibt. 2013 setzt Mærsk die ersten Schiffe der nächsten Generation in Fahrt. Die Triple-E-Frachter sind 400 Meter lang und 59 Meter breit, sie tragen bis zu 18 000 Containereinheiten (TEU), noch einmal deutlich mehr als die bereits gewaltige "Emma Mærsk" und ihre sieben Schwesterschiffe, mit 397 Meter Länge und 15 000 TEU Kapazität die derzeit größten Containerschiffe. Mit den Triple-E-Schiffen will Mærsk die Container zwischen Asien und Europa noch effizienter transportieren und Nutzen aus dem Größeneffekt der Frachter ziehen. "Wir werden dafür kleinere Schiffe aus unseren Linien herausnehmen", sagt Skou. Mancher seiner Zuhörer blickt skeptisch drein.

Mærsk ist seit Jahrzehnten der Treiber, wenn es um noch größere Schiffe geht und damit um neuen Vorsprung im Wettbewerb. "Ich glaube, dass für lange Zeit keine größeren Schiffe als unsere Triple-E-Frachter mehr gebaut werden", sagt Skou. Solche Ansagen allerdings werden in der Containerschifffahrt schnell zur Makulatur.