Die Deiche müssen erhöht werden, um weite Stadtgebiete zu schützen. Bau der Anlagen soll 30 Jahre dauern und 550 Millionen Euro kosten.

Hamburg. Noch reißen Bauarbeiter an der Überseebrücke Betonwände ab, um dort eine neue Flutschutz-Promenade zu bauen. Das Bollwerk galt als Schlussstein eines umfangreichen Sturmflutschutzprogramms, das vor 20 Jahren von der Stadt aufgelegt wurde und bisher rund 700 Millionen Euro gekostet hat. Doch schon jetzt macht man sich in den Behörden Gedanken um noch höhere Deiche. Gestern beschloss der Senat neue, offizielle Bemessungswasserstände als Grundlage künftiger Hochwasserplanungen.

Am Pegel St. Pauli gilt nun nicht mehr die Marke 7,30 Meter über Normal Null (NN) als theoretisch höchst möglicher Hochwasserstand, sondern ein um 80 Zentimeter erhöhter Wert von 8,10 Metern NN. Die Entscheidung sei in Absprache mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen getroffen worden und beinhalte einen "Klimazuschlag" für den erwarteten Anstieg des Meeresspiegels, teilte die Stadtentwicklungsbehörde mit. Die Anpassung an die neuen Werte mache zudem ein neues "Erhöhungsprogramm" für den Sturmflutschutz notwendig.

Rund 20 Millionen Euro pro Jahr kalkuliert die Behörde dafür von 2016 an, das neue Programm müsse auf etwa 25 bis 30 Jahre ausgelegt werden und koste dann rund 550 Millionen Euro nach heutiger Berechnung. Erste neue Erhöhungsarbeiten werden voraussichtlich in rund vier Jahren an Deichen in den Vier- und Marschlanden beginnen.

Zwar verfüge Hamburg schon jetzt über einen "hervorragenden Sturmflutschutz", sagt Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD): "Wir beugen jetzt zudem den Risiken des Klimawandels vor und legen die Grundlage für einen langfristig erstklassigen Hochwasserschutz."

Betroffen von einem neuen Programm sind der Behörde zufolge allerdings vorrangig die Erddeiche in Hamburg, wie es sie vor allem südlich der Elbe gibt. Bei Flutmauern und anderen Bauwerken wie an den Landungsbrücken oder aktuell an der Überseebrücke seien Ausbaureserven von rund 80 Zentimetern schon von Anfang an mit eingeplant gewesen.

Rund 103 Kilometer lang ist die Schutzlinie aus Deichen und Wänden in Hamburg, davon sind die Deiche zusammen etwa 77 Kilometer lang. Rund ein Drittel des Stadtgebiets liegt innerhalb dieser sturmflutgefährdeten Areale, 325 000 Menschen leben in diesen Gebieten.

Die Erddeiche dieser Schutzlinie, vor allem in Wilhelmsburg und den Vier- und Marschlanden, waren bei dem seit 1993 laufenden Ausbauprogramm zuerst erhöht worden, weil diese Abschnitte als besonders gefährdet galten. Zum Vergleich: Vor der Sturmflutkatastrophe mit Hunderten von Toten im Februar 1962 waren die Deiche in Hamburg etwa 5,70 Meter (über NN) hoch und im Vergleich zu heute 30 Meter schmaler. Beim ersten Ausbauprogramm nach 1962 wurde die Deichlinie in Hamburg dann auf 7,20 Meter NN erhöht. Das bewährte sich vor allem 1976 als mit einer Höhe von 6,45 Metern NN die bisher höchste Sturmflut in der Hansestadt gemessen wurde.

Mit dem nächsten Ausbauprogramm von 1993 wurden in der Stadt dann Deiche, Schutzmauern, Sperrwerke und Schleusentore auf Höhen zwischen 7,60 und bis zu neun Meter NN gebracht. Dabei berücksichtigte man auch den möglichen Wellenaufschlag. Im Jahr 2016 soll dieses Programm abgeschlossen sein - während das nächste womöglich schon beginnt.