Laut dem Nabu tut die Stadt nicht genug für den Umweltschutz. 63 Prozent der Pflanzen und 88 Prozent der Amphibienarten seien gefährdet.

Hamburg. Die Trauerseeschwalbe hat es nicht leicht in Hamburgs Naturschutzgebieten. Sie benötigt freie Wasserflächen mit einer Schwimmpflanzendecke - was es im Naturschutzgebiet Kirchwerder Wiesen eigentlich in ausreichendem Maße geben sollte. Doch die immer kleinere Population zeigt, dass die Umstände nicht ideal sein können. "In den 1970er-Jahren gab es in den Kirchwerder Wiesen noch 50 Paare, heute sind es gerade noch einmal fünf", sagt Christian Gerbich, Referent für Naturschutz beim Nabu Landesverband Hamburg.

Für den Naturschutzbund (Nabu) ist dies nur eines von vielen Beispielen, das die Folgen der massiven Unterfinanzierung des Umweltschutzes zeigt. 63 Prozent der in Hamburg nachgewiesenen Pflanzen, 42 Prozent der Säugetiere, 37 Prozent der Vögel und sogar 88 Prozent der in Hamburg vorkommenden Amphibienarten sind massiv gefährdet. Einige Tiere und Pflanzen sind sogar vom Aussterben bedroht.

Die Stadt tut nicht genug für den Umweltschutz, lautet daher die harte Kritik des Nabu Hamburg. Alle 31 Naturschutzgebiete bilden 8,57 Prozent der Stadtfläche, so viel wie in keinem anderen Bundesland. Nach Meinung des Nabu ist die Pflege und Entwicklung dieser Gebiete deutlich unterfinanziert.

"Wenn selbst Hamburg als reichste Region Deutschlands nicht bereit ist, den Erfordernissen für den Naturschutz gerecht zu werden, können wir entsprechende Anstrengungen nicht von den ärmeren Ländern verlangen", sagt Alexander Porschke, Vorsitzender des Nabu Hamburg, und appelliert an die Glaubwürdigkeit der Stadt. Er fordert: "Die Hansestadt muss mit gutem Beispiel vorangehen und zukünftig für den Naturschutz fünf Euro pro Einwohner und Jahr investieren." Laut Nabu wären also 9,5 Millionen Euro nötig, um den "Pflegestau", der sich über Jahre hinweg angehäuft habe, abzubauen.

Derzeit sieht die Umweltbehörde in ihrem Betriebs- und Investitionshaushalt rund drei Millionen Euro für den Naturschutz vor. Davon werden für die Pflege der Naturschutzgebiete, die Unterhaltung der Naturschutzinformationshäuser und der Dienstwohnungen der Naturschutzwarte von der Behörde 280 000 Euro ausgegeben. Der Rest des Geldes wird für Posten wie die Förderung von Stiftungen und Vereinen, die Erstellung von Entwicklungsplänen, den Erhalt des Nationalparks Wattenmeer und Grunderwerb ausgegeben. Zwölf der 31 Naturschutzgebiete werden von der Stadt verwaltet, die übrigen von den Bezirken. Diese bekommen Geld von der Behörde zugewiesen, insgesamt 90 000 Euro pro Jahr, die auf die sieben Bezirksämter verteilt werden. Für den Nabu ist diese Summe jedoch unzureichend.

In die gleiche Kerbe wie der Nabu schlug in der vergangenen Woche auch schon Jens Kerstan, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bürgerschaft, der die Budgetplanung der Stadt für den Umweltschutz kritisierte. "In keinem Einzelhaushalt wird so brutal der Rotstift angesetzt." Dem widerspricht Frank Krippner, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU): "Für den Doppelhaushalt hat die BSU die Zuweisung an die Bezirke von 69 000 auf 90 000 Euro aufgestockt."

Doch selbst wenn es eine Erhöhung des Budgets gegeben hat: Um die sogenannten Pflege- und Entwicklungspläne, die die Grundlage für die Pflegemaßnahmen darstellen, einzuhalten, würden diese Summen jedoch nicht ausreichen, meint der Nabu. Die Pläne werden von Experten erstellt, sind jedoch nicht verbindlich. Im Einvernehmen mit der Behörde können die Bezirke von ihnen abweichen und nur die Maßnahmen umsetzen, für die das Geld ausreicht. Dies ist nach Angaben des Nabu unter anderem im Naturschutzgebiet Kirchwerder Wiesen der Fall. "Würde man sich dort an die Pläne halten wollen, wären mehr als 200 000 Euro notwendig, um das Grünland entsprechend zu pflegen, damit ein nachhaltiger Schutz für Wiesenvögel geboten wird", sagt Alexander Porschke. "Das wird aber nie zu bewältigen sein: Der Betrag entspricht ja allein schon mehr als 50 Prozent des beantragten Haushaltstitels für 2013/14 für den Vertragsnaturschutz im gesamten Stadtgebiet."

Die BSU will den Vorwurf, den Umweltschutz zu vernachlässigen, nicht gelten lassen. Maßnahmen, die ein Gebiet aufwerten sollen, können aus dem "Sondervermögen Naturschutz und Landschaftspflege" finanziert werden - das können mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr sein. Im Arbeitsprogramm des Senats sei verankert, dass man die Ausweisung neuer Natur- und Landschaftsschutzgebiete sowie die Erweiterung bestehender anstrebe und ein Naturdenkmal Kiebitzmoor einrichten will. Zudem sei eine Erweiterung des Naturschutzgebietes Wohldorfer Wald geplant und ein Naturschutzgebiet Holzhafen soll eingerichtet werden - etwas, dass Alexander Porschke freut. Dennoch merkt er kritisch an: "Es ist schön, wenn man sich auf dem Papier um die Umwelt kümmert", sagt er, "aber dann muss auch Geld in die Hand genommen werden."