Immer mehr Supermärkte und Drogerien in Hamburg bieten Produkte aus fairem Handel an. Wachstumstreiber sind Kaffee, Bananen und Blumen.

Hamburg. Wenn María Inés Cada ihre Bananenplantage am Ufer des Rio Calichana in Ecuador auf Bio umstellen und dadurch auf die gefährlichen Luftsprüheinsätze mit Pestiziden verzichten kann, wenn Mahmoud Wesam aus Ägypten sich auf seiner Obstfarm eine Kindertagesstätte leistet, damit dort auch Mütter arbeiten können und er mit Kursen den Analphabetismus bekämpft, dann haben diese Farmer ihre verbesserten Lebensbedingungen dem fairen Handel zu verdanken. 20 Jahre lang gibt es den Fairtrade-Verein inzwischen, und immer mehr Produkte tragen das Siegel, welches einen gerechten Umgang mit den Produzenten im Süden garantiert.

Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres kauften Verbraucher Produkte mit dem Fairtrade-Logo im Wert von 250 Millionen Euro. Das entspricht einem Plus von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahreshalbjahr. In den vergangenen fünf Jahren hat sich deren Umsatz sogar verdreifacht. Die wichtigsten Wachstumstreiber sind dabei Kaffee, Blumen und Bananen.

Auch in Hamburg, der deutschen Hauptstadt des internationalen Handels, setzen sich mehr und mehr Unternehmen für bessere Bedingungen der Produzenten in ärmeren Ländern ein. "Aktuell haben wir 80 fair gehandelte Artikel beziehungsweise Fairtrade-Produkte in unserem Sortiment", sagt eine Sprecherin der Drogeriemarktkette Budnikowsky. "Und wir wollen unseren Kunden künftig noch mehr fair gehandelte Produkte anbieten." Das Handelsunternehmen reagiert auf die wachsende Nachfrage der Hamburger nach fair gehandelten Waren: So sei der Absatz dieses Segments bei Budni von 2010 auf 2011 um 31 Prozent angestiegen. Budni verlasse sich auf das Siegel, da es dem Unternehmen kaum möglich sei, bei allen Lieferanten zu prüfen, ob Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften eingehalten werden, Kinderarbeit ausgeschlossen ist oder das Recht auf Versammlungsfreiheit gewährt wird.

Auch einer der bundesweit führenden Lebensmittelhändler, die Rewe-Gruppe, gehört bei Fairtrade nach eigenen Angaben zu den Pionieren. "Wir führen bis zu 20 Fairtrade-Produkte im Sortiment, in einigen Märkten sogar bis zu 100 Produkte", sagt Rewe-Sprecher Raimund Esser. Der faire Handel werde sich weiter positiv entwickeln, ist man bei Rewe überzeugt: "Wir stellen fest, dass eine wachsende Anzahl von Kunden neben dem Preis - der auch in Zukunft eine große Rolle spielen wird - sich dafür interessiert, wo das Produkt herkommt und unter welchen Bedingungen es hergestellt wird", sagt Esser.

Wenn Rewe sich als einer der Pioniere des fairen Handels bezeichnet, dürfen die Weltläden, die früher den Kirchen angegliedert waren, sich ohne Frage als dessen Urzelle betrachten. Im Ottensener Weltladen nehmen verschiedene Kaffeesorten aus fairem Handel ein gesamtes Regal ein. Kaffee aus Kolumbien, aus Nicaragua, Bio-Espresso und besonders schonend geröstete Spezialitäten. Die Vielfalt des Angebots rund um die Bohne ist kein Zufall, denn Kaffee gehört zu den ältesten Produkten des fairen Handels. Der Absatz gerecht gehandelten Kaffees stieg 2011 um 22 Prozent und erreicht ein Volumen von 8807 Tonnen, das entspricht einem Marktanteil von zwei Prozent. Kaffee ist nach Öl die meistgehandelte Rohware auf der Welt und Existenzgrundlage für 25 Millionen Menschen. Vom Ertrag ihrer Kaffeepflanzen können aber viele Bauern kaum leben. Denn auch Spekulanten beeinflussen die Preise des an der Börse gehandelten Produkts, sodass sie stark schwanken. Fairer Handel indes garantiert den Erzeugern einen Mindestpreis, der über dem Weltmarktpreis liegt.

Doch die Produktvielfalt des fairen Handels geht längst weit über Kaffee hinaus. Ob Schokolade, Saft, Tee oder Reis, fair gehandelte Produkte sind bundesweit in gut 36 000 Supermärkten und Bioläden erhältlich. Die 800 Weltläden bieten dabei ein besonders breites Sortiment an, es sind die Fachgeschäfte für fairen Handel. "Wir sind oft als gemeinnützige Vereine oder Genossenschaften organisiert und beschäftigen viele ehrenamtliche Mitarbeiter", erklärt Beatrice Martin, die den Weltladen in Ottensen leitet. Neben den traditionellen Produkten hat sie auch ungewöhnliche "faire" Artikel im Angebot: Unterwäsche aus Indien mit britischem Design oder vietnamesische Laptop-Taschen aus alten Reissäcken.

Neben den Händlern engagieren sich aber auch Produzenten aus dem Norden für einen gerechten Umgang mit den Menschen in ärmeren Ländern. Goldschmied Thomas Becker vom Atelier für Schmuck am Grindel gehört zu den Vorreitern in Deutschland, die Edelmetalle aus fairem Handel verwenden. "Es gibt zwar noch kein Fairtrade-Siegel für Gold, aber wir beziehen unseren Rohstoff ausschließlich von einer Kleinkooperative in Kolumbien, wo Themen wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsvorsorge eine große Rolle spielen", sagt Becker. Auch Tim Kordes von Rosen Kordes bei Elmshorn, die zu den weltweit führenden Rosenzüchtern gehören, bemüht sich um ein Fairtrade-Siegel für seine Farm in Kenia. "Wir erfüllen praktisch schon alle Bedingungen, aber vieles dauert eben etwas länger in Afrika", sagt Kordes. Rosen, die bisher unter anderem wegen eines gesundheitsgefährdenden Pestizid-Einsatzes in der Kritik standen, gehören neben Bananen und Kaffee zu den großen Umsatzträgern beim Fairtrade: Insgesamt wurden 2011 mehr als 80 Millionen Stiele verkauft, ein Plus von zwölf Prozent. Der Marktanteil der Rosen stieg damit auf 6,8 Prozent. Neu erhältlich sind Fairtrade-Rosen bei Edeka und Netto, außerdem gibt es faire Rosen nun auch bei mehr als 400 Floristen.