120 Wohnungen stehen jahrelang leer. Die Stadt prüft, ob sie die Eigentümer zur schnelleren Sanierung zwingen kann.

Harvestehude. Zu den Grindelhochhäusern in Harvestehude pilgern heute noch Architekturstudenten, weil die bis zu 15 Stockwerke hohen Häuser als herausragendes Beispiel der Nachkriegsmoderne im Wohnungsbau gelten. Und für die meisten der zwölf großen Wohnblöcke in einer der begehrtesten Lagen Hamburgs gibt es auch wieder Wartelisten - so wie 1946, als der Grundstein gelegt wurde.

Nur das Gebäude an der Oberstraße 14 fällt aus dem Rahmen. Wieder einmal. Vor gut sechs Jahren machte es als "Horrorhaus" Schlagzeilen, weil dort Kakerlaken auftauchten und die Mieter mit Schimmel, Dreck und Ratten zu kämpfen hatten. 2009 meldeten Zeitungen dann: "Das Horrorhaus wird wieder schick". Ein Trugschluss. Seit Jahren stehen Baugerüste vor dem Haus, wie Anwohner berichten, doch neue Wohnungen wie versprochen sind nicht in Sicht. Hingegen sind offensichtlich sämtliche Mieter ausgezogen.

Derzeit lassen der Bezirk Eimsbüttel und die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt prüfen, ob der Eigentümer zur zügigen Sanierung rechtlich gezwungen werden kann. Mehr als 120 Wohnungen, so Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD), kommen nicht an den Markt, obwohl sie dringend benötigt werden. "Mitten in Eimsbüttel ein Quasi-Leerstand - das kann nicht angehen", sagt Sevecke. Der SPD-Bezirkspolitiker Gabor Gottlieb geht in seiner Kritik noch weiter und spricht von einem "Bauskandal": "Hier wird doch spekuliert, anders kann man das nicht erklären." Und auch beim Mieterverein zu Hamburg, der einst die skandalösen Zustände im "Horrorhaus" an die Öffentlichkeit gebracht hatte, ist man entsetzt. "Da müssen jetzt Rechtsmittel eingesetzt werden", fordert Vereins-Rechtsexperte Wilfried Lempfuhl.

Doch so einfach ist das nicht: Zum einen seien die Eigentumsverhältnisse kompliziert, heißt es im Bezirk. Zum anderen gebe es ja eine erklärte Absicht zur Sanierung. Und tatsächlich fällt der Blick vor Ort auf Gerüste, auf ein Zementsilo und neue Fensterrahmen, die jemand in einem Flur abgestellt hat. Auch in den Gewerbeflächen im Erdgeschoss haben sich neue Firmen angesiedelt. Die komplizierte Rechtsfrage lautet nun, ob ein Immobilienbesitzer dazu gezwungen werden kann, innerhalb bestimmter Fristen zu sanieren. "Oder ob er sich über Jahre wie in diesem Fall herausreden kann, dass doch irgendwann gebaut wird", wie SPD-Politiker Gottlieb es formuliert.

Von der zuständigen Hausverwaltung und der Eigentümerin, einer Immobilienfirma, war dazu nichts zu erfahren. Obwohl beide Büros bestätigten, für das Objekt zuständig zu sein, konnte das Abendblatt keine Stellungnahme erhalten. Vor Ort weist nur ein Hinweisschild mit dem Schriftzug Trigon auf Verantwortlichkeiten.

Tatsächlich hatte die Trigon Grundbesitz GmbH das Haus 2005 übernommen - nach wechselvoller Geschichte mit unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen, wie ein Blick in die Archive zeigt: 1950 waren demnach die ersten Mieter in das Gebäude eingezogen. Viele Hamburger nannten es seinerzeit das "Junggesellinnenhaus", weil vor allem weibliche Angestellte des Postsparkassenamts dort eine der damaligen Einzimmerwohnungen bekommen hatten. Das Amt war im Mittelteil des Gebäudes (14b) untergebracht, wo heute vor allem die städtische Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten große Flächen gemietet hat. Im Dezember 1985 verkaufte die Saga, die die anderen Häuser später aufwendig sanierte, das Haus Nummer 14 an eine Firma des Hamburger Geschäftsmanns Ernst Gernot Meie. Das Haus verfiel mit den Jahren und machte schließlich als "Horrorhaus" die ersten negativen Schlagzeilen. Als gegen Meie ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, kam es zum Eigentümerwechsel an die Trigon Grundbesitz GmbH. Gesellschafterin ist die Ehefrau von Meie, Geschäftsführer ein Verwandter. Offensichtlich bis heute, wie ein Handelregisterauszug dokumentiert. Beide Namen tauchen aber auch in Zusammenhang mit anderen Firmen auf, etwa im Bereich der Seniorenbetreuung.

Auch der ehemalige Eigentümer wird noch immer in Zeitungsberichten erwähnt: Zuletzt, weil er an der Oberstraße bei einem Streit um einen Parkplatz einen anderen Autofahrer beleidigt haben soll und zu 60 000 Euro Strafe verurteilt wurde. Zwar hatte er angegeben, wegen einer Privatinsolvenz nur wenig Geld zur Verfügung zu haben. Doch das Gericht rechnete ihm weit höhere Einnahmen und Überweisungen durch die Firma seiner Frau vor. Offensichtlich, so vermuten Bezirkspolitiker, wäre für eine Sanierung des Grindelhochhauses also doch genügend Geld vorhanden.