Hamburg ist ein Konzern, der sparen muss. Die Folge: Mehrere Tausend Menschen, die für die Hansestadt arbeiten, verdienen so wenig, dass sie von ihrem Lohn nicht leben können. Viele sind auf Hartz IV angewiesen

Hamburg. Ein Unternehmen gründet eine Leiharbeitsfirma: Die Mitarbeiter - vor allem Bürofachkräfte - machen die gleiche Arbeit wie die angestammten Kollegen, bekommen aber deutlich weniger Lohn. Ein weiteres Unternehmen gründet eine Tochtergesellschaft. Die Mitarbeiter - Fahrer - machen die gleiche Arbeit wie die Kollegen im Mutterkonzern, bekommen aber deutlich weniger Lohn. Ein drittes Unternehmen vergibt Aufträge an externe Firmen. Die Mitarbeiter - Wachleute - arbeiten für 7,31 Euro brutto die Stunde. Alltag im deutschen Wirtschaftsleben, so scheint es. Doch die drei Arbeitgeber heißen Saga GWG, Stadtreinigung und Universität Hamburg. Sie gehören zu 100 Prozent der Stadt Hamburg. Es sind drei Beispiele dafür, wie der Staat prekäre Arbeitsverhältnisse schafft: die Stadt Hamburg als Lohndrücker.

Viele dieser Angestellten verdienen so wenig Geld, dass es nicht zum Leben reicht. Sie müssen zum Jobcenter gehen und "aufstocken", damit sie zumindest so viel Geld zum Leben haben wie ein Hartz-IV-Empfänger. Der Staat, der ihnen als Arbeitgeber Niedriglöhne zahlt, bessert diese Einkommen also selbst wieder auf. In Hamburg gibt es zurzeit rund 35 500 solcher Aufstocker. Für sie wurden im vergangenen Jahr 150 Millionen Euro ausgegeben. Wie viele dieser schlecht bezahlten Arbeitnehmer direkt oder indirekt für die Stadt arbeiten, darüber gibt es keine genauen Zahlen. Die Gewerkschaft Ver.di schätzt die Zahl der prekär Beschäftigten dort auf 10 000.

Das Problem betrifft viele Bereiche. Die Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten, mit 178 Kitas der größte Anbieter in Hamburg, hat seine Hauswirtschaftskräfte in eine Tochtergesellschaft ausgelagert: Sie bekommen bis zu 30 Prozent weniger Lohn als früher. Auch das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) lagert aus - allein dort wurden 17 neue Gesellschaften gegründet. Die Asklepios Kliniken Hamburg GmbH, an der die Stadt mit 25,1 Prozent beteiligt ist, hat das gesamte nicht medizinische Personal schon 2008 ausgegliedert - zu deutlich schlechteren Bedingungen. Der Konzern hat auch eigene Leiharbeitsfirmen gegründet und vergibt sogar therapeutische Leistungen an eine Tochterfirma, die nicht dem Krankenhaustarif unterliegt. Auch die Hamburger Arbeit Beschäftigungsgesellschaft mbH (HAB) und die Elbewerkstätten - eine teilweise städtische gemeinnützige GmbH, die sich um Behinderte kümmert - haben eigene Leiharbeitsfirmen gegründet.

Die zuständigen Behörden und städtischen Unternehmen haben, vom Abendblatt befragt, diese Praxis entweder verteidigt oder nicht kommentieren wollen. Allerdings: Der Senat plant ein Landesmindestlohngesetz, das 8,50 Euro pro Stunde als Untergrenze festsetzt. Das soll für alle städtischen Unternehmen gelten. Parallel wird eine Novellierung der Vergaberechtskontrolle geprüft, um auch Auftragnehmer auf diese Lohnuntergrenze zu verpflichten. Das würde allerdings nur neue, keine Alt-Verträge betreffen.

Das Abendblatt macht das Thema heute zum Schwerpunkt.