Am beliebtesten bei Online-Abstimmung sind vom Abriss bedrohte Backsteinhäuser. Mehrheit der Hamburger lehnt Glas- und Stahlbauten ab.

Hamburg. Der Michel hätte es werden können, das Chilehaus vielleicht oder auch das Rathaus: Doch eine von der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde beauftragte Internet-Umfrage zu den beliebtesten Gebäuden in der Stadt ergab nun ein ganzes anderes Bild, als zu erwarten war.

Zu den zehn Top-Bauten der Hamburger zählen danach vor allem Gebäude, die akut vom Abriss bedroht sind: die Backsteinhäuser am Elisabethgehölz in Hamm-Nord zum Beispiel, die Gründerzeithäuser Breite Straße 114 bis 116 in Altona, die Esso-Häuser am Spielbudenplatz, das alte Genossenschafts-Zentrallager auf der Peute oder die Soulkitchen-Halle in Wilhelmsburg. Nur das Planetarium im Stadtpark schaffte es als historisches, nicht bedrohtes Bauwerk auf die Liste der zehn beliebtesten Bauten.

Zu den unbeliebtesten Bauwerken gehören nach diesem Online-Meinungsbild vor allem neue Glas-Beton-Architektur oder andere von der Fachwelt gefeierte Neubauten. So zum Beispiel ausgerechnet die Zentrale der Internationalen Bauausstellung (IBA), das IBA-Dock auf der Veddel, weitere IBA-Projekte in Wilhelmsburg, die neuen Büros Tanzende Türme an der Reeperbahn, die Europa-Passage und die umstrittene Elbphilharmonie.

Die am 27. August gestartete Umfrage hatte die Planergruppe nexthamburg organisiert, bis gestern waren dazu 20 700 Stimmen abgegeben worden. Die Frage nach beliebten und ungeliebten Gebäuden ist Teil der Hamburger Stadtwerkstatt, in der es gestern in der Freien Akademie der Künste bei Diskussionen mit Experten und Besuchern um Denkmalschutz und Baukultur in Hamburg ging. Auch das Ergebnis der Online-Umfrage wurde dort vorgestellt. Die Stadtwerkstatt wurde 2011 ins Leben gerufen, um "Planungsinteressierten" eine Plattform zur aktuellen Stadtplanung in Hamburg zu bieten, so die Behörde.

Die Teilnehmer der Umfrage interessieren sich offenbar vor allem für Hamburger Bauten, die andere abreißen wollen. Immerhin 45 Prozent der "Stimmaktivität", also der Stimmenanzahl pro Gebäude, bezieht sich auf Häuser, für deren Erhalt es Bürgerinitiativen gibt. Julian Petrin, Gründer von nexthamburg, sieht dann in diesem Umstand auch ein deutliches Zeichen, dass es in Hamburg bei Fragen der Stadtentwicklung eine "Schieflage" gibt, wie er sagt.

"Entweder haben wir hier eine besonders aktive Szene von Initiativen - oder wir haben eine zu lasche Baukultur." Denkmalschutz, Erhalt oder Abriss - solche Dinge würden in Deutschland nur noch in Berlin ähnlich heftig diskutiert wie in Hamburg, sagt Petrin. Eigentlich sei die Frage nach den Lieblingsgebäuden zwar eine typische "Sonntagsfrage". Doch in Hamburg zeige sich, dass sie immer politisch überlagert sei. Aber möglicherweise, so Petrin, sei dieses starke Engagement vieler Initiativen in Hamburg auch eine Folge davon, dass in der Stadt zu oft mit schnellem Abriss Fakten geschaffen worden seien - während die Diskussion über den Erhalt noch weiterlief.

Tatsächlich gibt es mittlerweile in Deutschland auch eine andere Sichtweise auf Denkmalschutz in den Städten. In Hamburg beispielsweise ist ein Bauwerk erst geschützt, wenn es nach einem längeren Verfahren von Amts wegen als schutzwürdig eingestuft worden ist. Nicht selten ist dann der Abrissbagger schneller.

Allerdings hatte der Senat im Regierungsprogramm angekündigt, das Denkmalschutzgesetz zu novellieren. Wie in anderen Landesgesetzen auch könnte dann das sogenannte Ipsa-lege-Prinzip (lat. für: das Gesetz für sich selbst) gelten. Das würde die Unterschutzstellung von Gebäuden in Hamburg beschleunigen und vereinfachen. Schätzungen zufolge könnten dann bis zu 9000 Bau- und Kunstdenkmäler in der Stadt schneller unter Schutz gestellt werden.

Hamburg wäre eines der letzten Bundesländer, die eine solche Regelung umsetzen. Noch aber ist dies nicht geschehen. Die GAL-Fraktion in der Bürgerschaft forderte daher kürzlich den Senat auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen und es nicht nur bei Ankündigungen zu belassen.

"Erkannte Denkmäler, die noch nicht auf der Denkmalliste eingetragen sind, genießen bislang wenig Schutz", kritisierte die kulturpolitische Sprecherin Christa Goetsch. Hintergrund der Kritik waren Abrisspläne für Teile der Berner Gartenstadtsiedlung. Bei der Umfrage nach Lieblingsbauten in Hamburg kam just diese Siedlung beim Ranking der beliebtesten Bauwerke dann auch auf einen ganz vorderen Platz (7.).

Die Umfrage zu Hamburgs Bauwerken ist mit der gestrigen Präsentation der Ergebnisse nicht beendet, sondern soll weitergeführt werden. Infos hier.