In Hamburg soll ein neues Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie entstehen. Untersucht werden sollen Bewegungen von Atomen.

Hamburg. Zwei Max-Planck-Institute hat Hamburg bereits. Nun könnte eine dritte Einrichtung das wissenschaftliche Renommee der Hansestadt stärken. Mit einer gestern im Senat beschlossenen Drucksache ist der Weg frei für die Gründung eines Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPISD). "Das neue Institut würde Hamburgs internationale Kompetenz auf diesem Gebiet eindrucksvoll untermauern und Hamburg als Wissenschaftsstandort weltweit noch sichtbarer machen", sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bei der Landespressekonferenz, wo er die Pläne mit Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD), Uni-Präsident Dieter Lenzen und Desy-Direktor Helmut Dosch vorstellte.

Auf der Grundlage des bestehenden Kooperationsprojekts Center for Free-Electron Laser Science der Uni, dem Forschungszentrum Desy und der Max-Planck-Gesellschaft soll die Forschung mit Freien-Elektronen-Lasern (FEL) weiter ausgebaut werden. Ziel sei es, Hamburg als internationales Zentrum für Strukturforschung zu etablieren.

Worum geht es im Detail? In den vergangenen Jahrzehnten haben Forscher unter anderem mit Röntgenstrahlen ergründet, wie sich Materie verschiedenster Art zusammensetzt, wie also Atome und Moleküle in lebenden Zellen und chemischen Verbindungen angeordnet sind. Es ist bekannt, wie unser Erbgut aufgebaut ist, wie sich Viren zusammensetzen, woraus das Blattgrün Chlorophyll besteht, welche Struktur Eis und Eisen haben. Es ist allerdings erst teilweise erforscht, wie sich der Mikrokosmos der kleinsten Teile unter bestimmten Bedingungen verändert.

In lebenden Zellen herrscht ständig Bewegung. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Proteine. Sie sind die "Arbeitspferde", steuern wichtige Körperprozesse. Ihre Funktionen erfüllen sie aber nur optimal, wenn sie in eine spezifische dreidimensionale Form gefaltet sind. Fehlgefaltete Proteine können zu Krankheiten wie Krebs führen. Gelänge es, diese Prozesse zu beobachten, ließen sich damit womöglich Medikamente entwickeln. Die Proteinfaltung läuft allerdings extrem schnell ab. Um sie zu "filmen", sind ultrakurze Lichtpulse nötig. Maschinen wie der 2005 gestartete Röntgenlaser Flash am Desy erzeugen Blitze, die nur millionstel von milliardstel Sekunden dauern. Noch leistungsfähiger wird der European XFEL sein, der 2014 in Betrieb gehen soll. Er soll ihn dann wahr machen, den Traum vom "Molekül-Kino".

Bisher mangelte es in Hamburg allerdings an Forschern, die die verbesserte Technik nutzen konnten. Eben dies soll sich nun ändern. Bisher forschen für das Max-Planck-Institut erst zwei befristete Gruppen mit etwa 60 Wissenschaftlern unter der Leitung der Physikprofessoren Andrea Cavalleri und Dwayne Miller über die Struktur und Dynamik von Materie - in dem neuen Max-Planck-Institut sollen mehr als 200 Forscher aus verschiedenen Disziplinen in fünf Instituten zusammenarbeiten. Für den Aufbau und den Unterhalt dieser Gruppen werde die Max-Planck-Gesellschaft voraussichtlich mehr als zehn Millionen Euro pro Jahr bereitstellen, sagt Cavalleri.

Thematisch würden sich die Forscher allerdings längst nicht nur mit biologischen und medizinischen Fragestellungen wie der Proteinfaltung beschäftigen, sondern auch etwa mit der Energieerzeugung und Fragen der Materialwissenschaften. Einige der beteiligten Wissenschaftler werden parallel in Projekten am neuen Hamburg Centre for Ultrafast Imaging mitarbeiten, das in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich etwa 30 Millionen Euro Fördergeld vom Bund erhalten wird.

Bislang kann der Senat jedoch nur die Grundlage für die Gründung des neuen Instituts schaffen. Die Zustimmungen der Bürgerschaft und des Senats der Max-Planck-Gesellschaft stehen noch aus. Sie sei aber zuversichtlich, dass die Entscheidungen in beiden Fällen positiv ausfallen würden, sagte Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt. Sollte es so kommen, wird die Stadt 37 Millionen Euro für den Bau eines neuen Gebäudes auf dem Campus in Bahrenfeld bereitstellen, wo die Wissenschaftler arbeiten sollen.

Besonders erfreut über die Pläne zeigte sich Dieter Lenzen: "Qualität zieht eben Qualität an", sagte der Präsident der Universität. Seine Hochschule hatte erst im Juni bei der Exzellenzinitiative des Bundes den Zuschlag für die Verlängerung des Exzellenclusters zur Klimaforschung und für das besagte Hamburg Centre for Ultrafast Imaging erhalten. Er sei überzeugt, dass Hamburg mit einem dritten Max-Planck-Institut einen weiteren Schritt in Richtung Wissenschaftsmetropole gehen werde, sagte Lenzen.

Ähnlich sieht das Helmut Dosch, Leiter des Forschungszentrums Desy: "Die greifbar nahe Gründung des Max-Planck-Instituts unterstreicht die internationale Vorrangstellung Hamburgs in der Erforschung dieser Gebiete", sagte Dosch. "Das Institut wird die besten Wissenschaftler der Welt nach Hamburg locken."