Eine Selbsterkenntnis von Peter Wenig

Als unsere Anna klein war, entnahm ich Erziehungsratgebern, dass Töchter ihre Väter in der Pubertät entsetzlich peinlich finden. Die Experten irren. Denn Anna ist gerade sieben - und ich bin jetzt schon peinlich.

Dabei fand ich mich eigentlich ziemlich gut, wie ich da neulich mit ihrem vergessenen Rucksack in der Zarge der Klassentür stand. Linke Hand die Aktentasche, rechte Hand der Rucksack, alles im Business-Anzug. Konferenz? Chef? Termine? Alles egal. Hauptsache, meine Tochter hat ihr geliebtes Pausenbrot.

Abends wurde mir sehr schnell klargemacht, dass mein Hey-ich-bin-ein-moderner-Vater-Auftritt leider doch nicht so doll war. Was mir denn einfalle, einfach mit diesem blöden Rucksack in ihre Klasse zu kommen. Sie sei total blamiert, all ihre Freundinnen hätten gelacht. Und ich solle endlich aufhören, sie "Schatz" zu nennen. Und vor allem diese bekloppte Umarmerei beim Abschied vor der Schule lassen. Als dann krachend die Tür zum Kinderzimmer ins Schloss flog, erwog ich kurzfristig, einen Schreiner zu konsultieren, entschied mich dann aber, meine mir liebsten Erziehungsratschläge zu beherzigen: Gelassenheit. Und positives Denken.

Meine Tochter wird, da bin ich ganz sicher, aus der "Papa ist peinlich"- direkt in die "Papa ist cool"-Phase wechseln. Sie wird mich bald in Konzerte mitschleifen und mit mir und nicht mit irgendeinem Typen aus einer verwarzten Studentenbude ihren 18. Geburtstag feiern. Wenn der Champagner entkorkt wird, werde ich sagen: Glückwunsch, mein lieber Schatz. Äh, Mist, Anna natürlich.