Die Behörde habe die Ex-Bischöfe “tagelang an den Pranger gestellt“, sagt Bischof Gerhard Ulrich, der Vorsitzende der Kirchenleitung.

Ahrensburg. Die Nordkirche hat die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Ex-Bischöfin Maria Jepsen und drei weitere Beschuldigte scharf kritisiert. Zwar sind diese Ermittlungen gestern eingestellt worden, dennoch zeigte sich Bischof Gerhard Ulrich, der Vorsitzende der Kirchenleitung, verärgert: "Erst vor wenigen Tagen hatte die Staatsanwaltschaft Lübeck öffentlich von Ermittlungen seit dem Frühjahr gesprochen, die sich noch über Wochen oder gar Monate hinziehen würden", so Bischof Ulrich. "Nun erst, nachdem die Beschuldigten tagelang an den Pranger gestellt worden sind, stellt die Staatsanwaltschaft plötzlich fest, dass eine Strafbarkeit gar nicht in Betracht kommt." Ulrich will nun den Leiter der Behörde, Thomas-Michal Hoffmann, schriftlich um Klärung der Vorgänge bitten.

Das Hamburger Abendblatt hatte am Donnerstag vergangener Woche erstmals über die Ermittlungen gegen Maria Jepsen , den Lübecker Ex-Bischof Karl Ludwig Kohlwage, die Ahrensburger Ex-Pröpstin Heide Emse und den ehemaligen Personalchef der Kirche, Detlev Nonne, berichtet. In der Tat hatte der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Günter Möller, damals davon gesprochen, dass die Arbeit der Kriminalpolizei noch mehrere Wochen dauern werde.

Doch seit diesem Bericht hat sich etwas geändert in der Lübecker Behörde. Die Anzeige zweier Stormarner Kirchenmitglieder wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Zusammenhang mit dem Ahrensburger Missbrauchsskandal ist in andere Hände gekommen. "Ich habe die Anzeige in der vergangenen Woche an mich gezogen", sagt Oberstaatsanwalt Ralf Anders. Er ist Chef der Abteilung für "Strafsachen aus dem politischen Bereich" und stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft. Bis dahin war die Anzeige von den Kollegen bearbeitet worden, die für normale Strafsachen zuständig sind - also in der Abteilung von Günter Möller. Danach ging alles ganz schnell. Ralf Anders: "Ich konnte dann relativ zügig entscheiden, dass die Ermittlungen einzustellen sind."

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In der Abteilung von Ralf Anders werden unter anderem auch alle Verfahren bearbeitet, die in Zusammenhang mit der Barschel-Affäre stehen. Gehört ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung in einem Fall von sexuellem Missbrauch in diese Kategorie? "Ich habe den Fall wegen der umfangreichen Berichterstattung in den Medien und wegen seiner herausragenden Bedeutung an mich gezogen", erläutert der Oberstaatsanwalt. "Die ergibt sich daraus, dass hier hohe kirchliche Würdenträger betroffen sind."

Dorothee Schencking und Henning Offen, die die Anzeige erstattet hatten, und ihr Ahrensburger Rechtsanwalt Thomas Elvers haderten gestern mit der Begründung für die Verfahrenseinstellung. Die drei hatten folgenden Punkt klären lassen wollen: Haben die Beschuldigten schon frühzeitig gewusst, dass der Ahrensburger Pastor K. Jugendliche missbraucht hat? Wenn ja: Warum haben sie dann nicht Anzeige erstattet? Und ist dieses Verschweigen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nicht Strafvereitelung? Nein, sagt die Staatsanwaltschaft in ihrer Begründung. Kirchenfunktionäre haben nicht die "Garantenpflicht", Straftaten zur Anzeige bringen zu müssen. Ein Unterlassen dieser Anzeige ist also nicht strafbar. Dorothee Schencking hat diese Begründung überrascht.

Sie ruft nach einer Regeländerung. "Mit diesem erheblichen Schwachpunkt werden sich Kirche, Justiz und Gesellschaft zeitnah auseinandersetzen müssen, um glaubhaft zu vermitteln, dass unsere Kinder in unseren Institutionen gut aufgehoben und geschützt werden", sagt sie. Sie und ihr Mitstreiter Offen wollen nun prüfen, ob es noch andere juristische Möglichkeiten gibt, um den Missbrauchsskandal aufzuklären.

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Die Kirche ruft nach einer intensiveren Beachtung der Regel. "Es ist mir absolut unverständlich, dass die Staatsanwaltschaft nicht bereits vor Monaten zu diesem nicht schwer zu ermittelnden Ergebnis gekommen ist", sagt auch Peter Unruh, der Präsident des Kirchenamts der Nordkirche. Die Staatsanwaltschaft habe die Nordkirche medial in ein schlechtes Licht gerückt.

Auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, die für Ahrensburg zuständig ist, attackierte gestern die Staatsanwälte. Dass das Verfahren eingestellt worden sei, hätten die Betroffenen und die Nordkirche erst durch die Recherchen des Hamburger Abendblatts erfahren, sagte Fehrs der Nachrichtenagentur KNA.