Betriebsrat der Asklepios-Klinik Harburg sieht Patientenversorgung gefährdet. Unternehmenssprecher weist Vorwürfe zurück.

Heimfeld. "Brisant" steht in fetten Lettern über einem Brandbrief, der dieser Tage in der Asklepios-Klinik Harburg (AKH) die Runde machte. Absender ist der Betriebsrat des Krankenhauses am Eißendorfer Pferdeweg in Heimfeld, der damit auf angeblich unhaltbare Zustände in der Patientenversorgung reagiert. "Was ist hier los?" lautet die Eingangsfrage des in der Tat brisanten Papiers. Das nach eingehender Beschreibung der Situation in der Einschätzung gipfelt: "Die Patientenversorgung kann nicht mal mehr als 'ausreichend' bezeichnet werden."

Ausgangspunkt für den Vorstoß des Betriebsrats ist offenbar ein deutlich erhöhtes Aufkommen an sogenannten "Gefährdungsanzeigen". Diese werden vom Pflegepersonal veranlasst, wenn die Versorgung der Patienten ihrer Ansicht nach nicht mehr im medizinisch vertretbaren Umfang gewährleistet werden kann. Gefährdungsanzeigen gelten gemeinhin als Alarmsignal, dass der normale Betrieb auf den Stationen nachhaltig gestört ist.

+++ Pfleger-Alarm in Harburger Asklepios-Klinik +++

In den vergangenen Wochen habe sich die Situation noch einmal verschärft, heißt es in dem Schreiben. Es fehle in sehr vielen Bereichen an qualifiziertem Personal, oft werde nur noch mit einer Minimalbesetzung agiert. Durch Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit fielen derzeit 38 Vollzeitkräfte langfristig aus. Andreas Dubinsky, stellvertretender Pflegedirektor in der AKH, habe dem Vernehmen nach bereits von einem dramatischen Personalmangel gesprochen, der nicht kompensierbar sei. Auszubildende, Hospitanten und Praktikanten müssten nun als "Lückenbüßer" herhalten und würden "eine falsche Personalgröße" vortäuschen. "Sogar Verwaltungskräfte mit pflegerischem Hintergrund sind schon eingesprungen", heißt es in einem weiteren internen Betriebsratspapier, das dem Abendblatt ebenfalls vorliegt.

Wie dramatisch die Situation ist, lässt sich allein an der Tatsache ablesen, dass es laut Betriebsrat bereits zu Stationsschließungen kam und andere Stationen dadurch "interdisziplinär" weitergeführt werden mussten. Immer öfter komme es zur Aufstellung von "Flurbetten", weil einzelne Stationen vollkommen überbelegt seien. Wenn eine Pflegekraft bis zu 24 Patienten versorgen müsse, sei die Belastungsgrenze längst erreicht, heißt es in dem Schreiben. Der Betriebsrat spricht sogar von "gefährlicher Pflege".

Angeheizt wird die Situation durch eine permanente Überfüllung der Zentralen Notaufnahme (ZNA). Laut Abendblatt-Recherchen treffen dort zwischen 100 und 150 Patienten pro Tag ein, von denen bis zu zwei Drittel stationär aufgenommen werden müssen. Die Suche nach Stationen mit Aufnahmekapazitäten gestalte sich immer wieder schwierig, heißt es. "Nicht selten kommt es dabei zu dramatischen Szenen, in denen Pflegekräfte flehendlich darum bitten, doch eine andere Station für die Aufnahme zu finden", sagt eine Krankenschwester, die ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen möchte.

+++ Vom LBK zu Asklepios +++

Der Druck auf das Asklepios-Personal scheint immens. Nicht einmal die Betriebsräte wollen Auskunft geben. Kaum verwunderlich, wird in ihren Schreiben doch unzweifelhaft konstatiert, dass die "wirtschaftliche Situation des Hauses ein Konkurrenzdenken erzeugt" und die "weißen Berufsgruppen" regelrecht "Krieg" führen würden. Deutliche Mahnungen an den Arbeitgeber zeigten nur dessen "Hilflosigkeit", heißt es in dem Papier.

Konzernsprecher Mathias Eberenz hält die Situation für keineswegs dramatisch: "Das Schreiben des Betriebsrats der Asklepios-Klinik Harburg ist uns selbstverständlich bekannt. Es handelt sich hier um eine innerbetriebliche Auseinandersetzung, die aus unserer Sicht nichts Ungewöhnliches ist. Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber vertreten naturgemäß unterschiedliche Positionen, haben eine andere Sichtweise der Dinge, und das ist auch hier der Fall. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die vom Betriebsrat erhobenen Vorwürfe im Wesentlichen nicht faktenbasiert sind." Es treffe nicht zu, so Eberenz weiter, "dass die Klinik im Personalbereich im Vergleich zu anderen Einrichtungen eine erhöhte Fluktuation aufweist. Auch trifft es nicht zu, dass es eine überdurchschnittliche Abwanderung von erfahrenem Pflegepersonal über 50 Jahren gibt." In der Regel kündigten diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht, da sie meist über langjährige Zugehörigkeit mit entsprechend hohem Kündigungsschutz verfügen würden. Kai Holm ist Betriebsratsvorsitzender der Elbe-Kliniken in Stade. "In den letzten Monaten haben sich immer mehr erfahrene Kollegen aus Harburg bei uns beworben", sagt er.

Der Vorwurf, so Eberenz, dass eine Pflegekraft bis zu 24 Patienten zu betreuen habe, treffe nicht zu. "Allerdings kann es aufgrund kurzfristiger Krankheitsausfälle zu Engpässen kommen. Hier handelt es sich aber um Ausnahmen." Ausnahmen seien auch die "Flurbetten". Der Anstieg der Gefährdungsanzeigen räumt Mathias Eberenz zwar ein, erklärt ihn aber damit, dass "früher eine Stationsleitung für die Station, die über zwei Stockwerke verteilt ist, nur eine einzelne Meldung eingereicht hat". Heute seien es zwei Meldungen, "weil die Station jede Ebene, also jedes Stockwerk einzeln darstellt". Überdies wirft Eberenz dem Betriebsrat vor, im Zuge innerbetrieblicher Diskussionen verstärkt zu Meldungen aufzurufen.