Unternehmer Torsten Bendfeldt schließt seinen Herrenausstatter in Rahlstedt und kritisiert den Branchenmix. “Vermieten bringt mehr als arbeiten.“

Rahlstedt. Der Laden sieht hausbacken aus, verstaubt. Wie aus einer versunkenen Epoche. Aber jetzt brummt er. Ausverkauf in der Rahlstedter Fußgängerzone, das Herrenfachgeschäft Bendfeldt, gegründet 1909 an der Bahnhofstraße, umgezogen 1928 an die Schweriner Straße, schließt am 31. Oktober. Eigentlich hatte Torsten Bendfeldt mit Frau Regina noch drei Jahre lang Herren ausstatten wollen. "Bis ich 60 bin, mit einer Angestellten, das wäre gegangen." Dann kam ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. "Ich kriege mehr Miete für den Laden, als ich mit meiner Hände Arbeit je verdienen kann. Ich wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich da Nein sage."

Aus seinem Laden werden drei. "Einer mit 120, einer mit 100 und einer mit 50 Quadratmetern." Bendfeldt hat einen Generalmieter, der die Flächen aufteilt und untervermietet. Wer hereingeht, ist noch offen. Der Quadratmeter im Ortskern kostet 25 bis 45 Euro.

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"Man wundert sich schon, dass die Leute jetzt kommen und kaufen. Aber wir wollten nie auf billig machen", sagt Bendfeldt, "Geiz ist nicht geil." Die Farbe Braun dominiert sein Geschäft, Textiltapete, umlaufende Leuchtstoffröhren. Die Räume sind verwinkelt. "Das soll so. Ich mag keine gelackten Läden. Ich geh gern in so An- und Verkaufgeschäfte, wo man stöbert." Mit Bendfeldt schließt nach dem Haushaltswarengeschäft Möller schon wieder ein inhabergeführtes Fachgeschäft im Rahlstedter Ortskern. "Ich habe sehr viele Stammkunden, aber das reicht nicht. Ich brauche auch Laufkundschaft", sagt Bendfeldt. Mit einem "Heimatbonus" wie vielleicht in Volksdorf könne man in Rahlstedt nicht rechnen. "Kürzlich fragte ein langjähriger Bekannter aus der Nachbarschaft nach einem schwarzen Sakko, weil er bei Anson's keins bekommen hatte. Ich hatte eins. Aber warum kommt er nicht erst zu mir und fährt dann woanders hin?"

Heiner Schote, Leiter der Abteilung Handel in der Handelskammer, sieht auch heute noch gute Chancen für inhabergeführte Fachgeschäfte. "In der City liegt ihr Anteil bei 55 Prozent. Wer in höheren Preissegmenten mit Alleinstellungsmerkmal, gutem Service und schöner Ladeneinrichtung antritt, hat gute Chancen." Das sei auch in Rahlstedt so, wo die Kaufkraft stimme und das Einzugsgebiet groß sei. Der Stadtteil hat 90 000 Einwohner.

Bendfeldt tickt anders. "Meine Leute, das sind die Bauchgrößen mit zwei bis 2,50 Meter Bundweite, Kragenweite bis zu 50 Zentimetern. Die Konfektionsgrößen 48 bis 52 sind für mich Kindergrößen." Sein Vorbild ist der alte Herr Policke. "Der hat seine Anzüge an der Gasleitung aufgehängt. Aber er machte damals mehr Umsatz als Karstadt, Kaufhof, P&C und Ortlepp zusammen." Ortlepp, auch so ein vergessener Name. In Rahlstedt prallen moderne Verkaufspsychologie auf deutsche Gemütlichkeit, Galao-Trinker auf Würstchenfans. Die Kommunalpolitik, seit Jahren um die Ortsmitte bemüht, bemängelt die fehlende Linie. "Nicht mal auf die Abschaffung der Mittagspause kann man sich einigen", sagt Lars Kocherscheid-Dahm, SPD-Fraktionschef im Regionalausschuss.

Bendfeldt stammt aus der Zeit, in der sich des Verrats schuldig fühlte, wer mit einer Spartüte am Handgelenk beim Konkurrenten Penny auflief. Als das Kaufhaus Stamp an der Rahlstedter Bahnhofstraße noch groß war. "Es gab Mitbewerber im Ortskern. Deshalb kamen die Leute auch. Aber wenn man der Einzige ist, fahren sie nach Wandsbek oder in die Stadt." In den 70er-, 80er-Jahren, "da war Rahlstedt Boomtown, da haben wir gut verdient", sagt Bendfeldt. Vorbei. "Der Wendepunkt aus heutiger Sicht war der Weggang des Kaufhauses Stamp", sagt Bendfeldt.

Es folgten Leerstand, Abriss, und an der Ecke Bahnhofstraße/Boizenburger Weg ein Neubau mit Büros und Einzelhandel nur im Erdgeschoss. Heute kämpft Rahlstedt mit Leerstand, in guten Lagen buhlen Ein-Euro-Shops um die Kunden. "Wir hatten hier in Rahlstedt viele Leute, die mit harter Arbeit sehr viel Geld verdient haben. Aber deren Kinder, die kamen nicht mehr", sagt Bendfeldt. "Die sind zum Neuen Wall oder zum Jungfernstieg, auch wegen ihrer Freundinnen." Damals habe man irgendwie den Anschluss verloren. "Meine Stammkunden brauchen ja nichts. Die kaufen, weil sie geschickt werden von ihren Frauen." Thomas Petrovic von der Interessengemeinschaft der Geschäftsleute in Rahlstedt sagt: "Die Wende ist schwierig mit den zerstrittenen Grundeigentümern und Erbengemeinschaften." Die Gastronomie soll es richten. Am Ende der Schweriner Straße füllt ein Schweinske auch draußen seine Tische neben den Rahlstedter Palmen auf dem Platz, der bald "Bei den Wandse-Terrassen" heißen soll.

Aufwertung verspricht der Neubau, der schräg gegenüber von Bendfeldt am Helmut-Steidl-Platz wächst. Auch hier soll Außengastronomie Laufkunden anziehen, der Platz wird erneuert. Mc Donald's ist im Gespräch. Die Verhandlungen laufen, im Frühjahr 2013 soll eröffnet werden. Auch für das Kaufhaus Möller gibt es Pläne. Ein Großteil soll abgerissen werden, 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche neu entstehen. Bendfeldt würde auch von einer Aufwertung profitieren. Als Vermieter.