Das Oberlandesgericht Hamburg spricht einem Anleger den bisher höchsten Schadenersatz zu. Die Bethmann Bank muss zahlen.

Hamburg. Es dürfte der bisher höchste Schadenersatz sein, den eine deutsche Bank einem geschädigten Lehman-Anleger zahlen muss: Mit 7.446.831,75 Euro beziffert das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg den Schadenersatzanspruch eines vermögenden Anlegers aus Hannover, der in der Hamburger Filiale der traditionsreichen Privatbank Bethmann betreut wurde.

Während viele geschädigte Kleinanleger mit Schadenersatzforderungen in Höhe von 10.000 Euro selbst vor dem Bundesgerichtshof (BGH) leer ausgingen, erkannte das OLG Hamburg in diesem Fall klare Beratungsfehler (Az.: 14 U 291/10). Zum Schadenersatz kommen noch Zinszahlungen für die Verfahrensdauer. Allein dafür muss die Bank knapp eine Million Euro an den früheren Unternehmer überweisen. Wie das Abendblatt aus Anwaltskreisen erfuhr, ist das nicht die einzige Schadenersatzforderung in Millionenhöhe, die Bethmann bisher erfüllen musste.

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"Das Bankhaus hat seine Beratungspflichten verletzt, indem über Ratings und Risiken der Anlage nicht korrekt aufgeklärt wurde", sagte OLG-Sprecher Conrad Müller-Horn dem Abendblatt. Auch bei späteren Beratungen im Juli und August 2008 sei vom Verkauf der Lehman-Papiere abgeraten und über eine Herabstufung des Ratings von Lehman Brothers nicht informiert wurden. Der Kauf des Lehman-Zertifikats erfolgte im April 2008 - fünf Monate vor der Insolvenz der US-Investmentbank. Mit der spektakulären Pleite des New Yorker Instituts wurden die Zertifikate weitgehend wertlos.

"Mein Mandant hatte in ein Zertifikat der Commerzbank investiert. Bethmann riet ihm aber zum Tausch in ein Lehman-Zertifikat, weil dieses angeblich das bessere Produkt sei", sagte Anwalt Udo Borchardt aus Hannover. "Das Rating des Wertpapiers der Commerzbank wurde dabei schlechter angegeben als es tatsächlich war. Die vergleichenden Einschätzungen anderer Rating-Agenturen wurden weggelassen. Wir hatten sehr gute Beweismittel."

Nur so ist es zu erklären, dass das OLG Hamburg die Berufung der Bethmann Bank gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburg zurückwies. Denn vor dem OLG waren bisher viele Kleinsparer mit ihren Forderungen wegen angeblicher Beratungsfehler beim Verkauf von Lehman-Papieren gescheitert.

Die Bethmann Bank bestätigte das Urteil. "Die Forderungen des Kunden wurden bereits beglichen", sagte eine Sprecherin des Geldhauses. Die Bank hat darauf verzichtet, den BGH als nächste Instanz anzurufen, "obwohl wir die Rechtsauffassung der Gegenseite nicht teilen", wie die Sprecherin sagte. Zu Einzelheiten des Falls wollte sich die Bank, die 21 Milliarden Euro für Kunden verwaltet, nicht äußern.

Es ist nicht das erste Mal, dass die zum niederländischen ABN-Amro-Konzern gehörende Bank Lehman-Anleger entschädigen muss. Ein 60-Jähriger Anleger erhielt 90 000 Euro zugesprochen. Auch hier riet die Bank zum Tausch von Citibank-Papieren in Lehman-Zertifikate und hatte mit einer falschen Bonitätsangabe geworben. Eine 87-Jährige langjährige Kundin hatte auf Anraten der Bank ihre Bundesanleihen in Lehman-Zertifikate getauscht. Schaden: 20 000 Euro. Bevor das OLG Hamburg in beiden Fällen ein Urteil fällen konnte, kam es zum Vergleich bzw. die Bank zog die Berufung zurück.

Der Hamburger Anwalt Henning Stoffregen von Dieckmann Rechtsanwälte hat sieben Lehman-Geschädigte gegen Bethmann vertreten. "Bis auf ein Verfahren sind alle zugunsten meiner Mandanten abgeschlossen", sagte Stoffregen. Die Bank habe vor allem zwischen April und August 2008 massenhaft Lehman-Zertifikate verkauft. Auch Anwalt Kai-Axel Faulmüller von Hahn Rechtsanwälte bestätigte, dass die Kunden der Bank sehr umfangreich in Zertifikate investiert hatten und Lehman-Papiere zu einem Zeitpunkt verkauft wurden, zu dem schon negativ über die US-Investmentbank berichtet worden war. Mehrere Verfahren der Kanzlei gegen die Bank sind noch vor dem OLG und dem BGH anhängig.