Hamburg, Deine Berge - Teil 7: Vom höchsten Gipfel Hamburgs nördlich der Elbe reicht der Fernblick 25 Kilometer weit.

Doch, auch in Hamburg gibt es Berge. Abendblatt-Autor Josef Nyary stellt sie in loser Folge in der neuen Serie "Hamburg, deine Berge" vor. Die Berge wurden aufgetürmt von Eiszeitgletschern - oder auch mal nur von der Müllabfuhr. Was sie alle gemeinsam haben? Sie alle sind einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine Wanderung wert.

Der Aufstieg ist anstrengend, die Aussicht atemberaubend: Vom höchsten Gipfel Hamburgs nördlich der Elbe reicht der Fernblick 25 Kilometer weit über die Türme der City bis zu den Harburger Bergen. Am Himmel kreisen Bussarde, tief unten glitzert der Hummelsee, und am Ostrand steht eine Gruppe Findlinge wie um einen vorgeschichtlichen Opferplatz. Doch unter Gebüsch, Gras und noch immer viel nacktem Geröll birgt der Berg Erinnerungen aus erheblich jüngerer Zeit: Er entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, als Hamburg in Schutt und Asche lag.

Von Mai 1940 bis April 1945 werfen insgesamt 17.000 amerikanische und britische Bomben- und Kampfflugzeuge 101.000 Sprengbomben aller Kaliber und 1,6 Millionen Brandbomben auf die Hansestadt. 45.000 Menschen sterben, jede zweite Wohnung ist völlig zerstört, auf den Straßen liegen 43 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt.

20 Jahre lang karren Lastwagen Steine, Geröll und Sand aus der zerstörten City, überall am Stadtrand wachsen neue Hügel in die Höhe. Den größten an der Glashütter Straße nennen die Hamburger "Monte Klamott". Als die Stadtreinigung auch Abfälle auf den Berg bringt, wird aus ihm der "Monte Müll".

Das kahle Gipfelplateau des topografischen Sonderlings liegt in 76 Meter Höhe. Die Flanken sind ein Garten Eden der Ruderalpflanzen, der typischen Flora von Bahngleisen und den Brachfeldern der Industrie. Brombeersträucher, Brennnesseldickicht und der lockere Boden der Halde raten Querfeldeinfans dringend, doch lieber auf den Wegen zu bleiben.

Reifenspuren zeugen von Geländewagenfahrern, die sich hier gern versuchen. Ab und zu stürzt sich ein Drachenflieger vom kahlen Gipfelplateau. Mountainbiker strudeln sich gern an den Steilhängen ab, und der SPD-Distrikt lädt jedes Jahr zum traditionellen Silvesterspaziergang auf die im Winter ziemlich kalte Kuppe.

In einem besonders trockenen Sommer musste schon mal die Feuerwehr auf dem Berg 700 Quadratmeter brennendes Grasland löschen. Modellflieger rühmen die Möglichkeit, auf zwei kleinen Sandhügeln "ordentlich zu cruisen". Unten lenken Modellbauer Boote über den Hummelsee, zehn Stundenkilometer sind erlaubt, elektrisch angetriebene dürfen schneller fahren.

Der Baggersee ist acht Hektar groß und fast zehn Meter tief. Naturfreunde sehen im Schilf die Schwarze und auch die Blutrote Heidelibelle. Taucher rühmen das glasklare Wasser. Angler überlisten an der Oberfläche den Rapfen, in der seichten Uferzone den Weißfisch, an den Krautbänken den Barsch, in den Mulden den Hecht und an der Scharkante vor dem tieferen, deutlich kälteren Wasser den Zander.

Auch Hundefreunde loben den Hummelsbütteler Berg-See: Gerade morgens seien hier viele nette Halter mit gut sozialisierten Tieren unterwegs.

Romantiker lauschen an Sommerabenden dem lauten Liebeszirpen der Goldschrecken. Der Bussard mit seinen 1,30 Metern Spannweite späht nach größerer Beute, gern auch mal an der Autobahn sieben Kilometer westlich. Im Osten grünen Alstertal und Duvenstedter Brook, im Norden Tangstedter Forst und Wohldorfer Wald.

Als überragender Aussichtspunkt im flachen Norden Hamburgs ist der Müllberg jedenfalls eine glückliche Korrektur der Natur.