Werftchef Herbert Aly hofft auf ersten Auftrag im September. Scharfe Kritik an Tarifabschluss. Austritt aus Arbeitgeberverband denkbar.

Hamburg. Ortstermin bei Blohm + Voss. Das Abendblatt traf Werftchef Herbert Aly im Lotsenhöft auf dem Gelände eines der traditionsreichsten Unternehmens der Stadt. Erstmals nach der Übernahme durch den englischen Finanzinvestor Star Capital Partners sprach Aly mit dem Abendblatt über die Zusammenarbeit mit den Briten, die Auftragslage und das Verhältnis zum Konkurrenten Lürssen, der auch nach der Werft gegriffen hatte.

Hamburger Abendblatt: Die Werft, die Reparatur und der Maschinenbau von Blohm + Voss gehören seit einem halben Jahr dem britischen Finanzinvestor Star Capital Partners. Reden die neuen Eigentümer Ihnen viel in das Geschäft herein?

Herbert Aly: Nein, im Gegenteil. Die Briten lassen uns ungestört arbeiten. Das ist auch zwingend notwendig, denn gerade der Schiffbau lebt von den direkten Kontakten und Beziehungen der Werften zu ihren Kunden vor Ort. Diese Geschäfte zentral führen zu wollen, wie es unser Ex-Eigner ThyssenKrupp versucht hat, funktioniert in der Regel nur unter erheblichen Schwierigkeiten.

Finanzinvestoren achten vor allem auf die Rendite. Wie lautet die Vorgabe für Sie aus London?

Aly: Es gibt keine konkreten Vorgaben. Selbstverständlich schauen die Briten beim Controlling genau hin, und einmal im Monat gibt es ein Treffen, bei dem Details besprochen werden. Sie ziehen aber kein Geld aus dem Unternehmen ab, wie es Kritiker befürchtet haben. Die Briten sind stark an einer florierenden Werft interessiert ...

... die sie dann in vier Jahren mit Gewinn wieder verkaufen.

Aly: Der Zeitpunkt eines Weiterverkaufs ist vollkommen offen.

Das gilt nicht für den Maschinenbau. Er soll schon bald den Besitzer wechseln.

Aly: Für den Maschinenbau hat es sehr viele Bewerber gegeben, und bereits während des Übernahmeprozesses wurde eindeutig kommuniziert, dass diese Sparte verkauft werden soll. Star Capital hat sich nun aus dem großen Kreis einige Interessenten herausgesucht, mit denen konkret verhandelt wird. Ich gehe davon aus, dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung für die rund 350 Beschäftigten fällt.

Den Einstieg der Briten haben Management und Betriebsrat begrüßt. Wurde nicht befürchtet, an eine Heuschrecke zu geraten, die das Unternehmen aussaugt.

Aly: Nein. Nicht jeder Finanzinvestor ist eine Heuschrecke. Das wusste ich bei Star Capital von Anfang an. Schließlich habe ich selbst die Kontakte nach England angebahnt. Als dann Abu Dhabi Mar als Käufer abgesprungen war, stand Star Capital bereit. Die Engländer haben innerhalb von zwei Wochen ein Angebot abgegeben.

Und als die Bremer Lürssen-Gruppe dasselbe tat, gab es kein Zurück mehr?

Aly: Das Angebot von Lürssen war völlig indiskutabel. Es hätte das Ende für Blohm + Voss bedeutet. Nach Lürssens Konzept hätte unsere Konstruktion in Kiel schließen müssen, und in der Reparatur hätten viele Kollegen ihre Jobs verloren. Wir wären am Ende zur verlängerten Werkbank von Lürssen geworden und hätten Yachten nach deren Design gebaut. Dass damals über die Arbeitnehmervertretung dieses inakzeptable Angebot auf die Werft gebracht wurde, hat mich schon verwundert.

Wollte Lürssen Ihrer Meinung nach die Konkurrenz im Yachtbau ausschalten?

Aly: Das glaube ich nicht. Die wenigen Yachten, die wir künftig bauen wollen, hätten den Bremern nicht wehgetan.

Wie ist heute Ihr persönliches Verhältnis zu Werftchef Friedrich Lürßen?

Aly: Wir haben ein friedliches Auskommen, telefonieren dann und wann. Wie das unter Geschäftsleuten üblich ist.

Lürssen hat die Sietas-Tochter Norderwerft - einen Steinwurf von Blohm + Voss entfernt - übernommen. Ein neuer Konkurrent für Sie in Hamburg?

Aly: Die Norderwerft repariert vor allem kleinere Frachter und Marineschiffe. Deshalb gibt es hier kaum Überschneidungen mit uns.

Im Yachtbau können Sie von Lürssen offensichtlich viel lernen. Während Ihr Bremer Konkurrent bis 2018 ausgelastet ist, warten Sie seit 2008 auf einen Yachtenauftrag. Wann ist es endlich so weit?

Aly: Unser Problem war in den vergangenen Jahren, dass ThyssenKrupp sich nicht eindeutig zum Yachtbau bekannt hat. Das ist mit Star Capital nun anders. Für eine neue Yacht gibt es mit dem Interessenten bereits einen Vorvertrag. Vielleicht klappt der Abschluss noch vor der Monaco Boat Show Ende September. Es wird ein Schiff, das mehr als 100 Meter lang ist. Die Seriosität des Käufers steht außer Frage, und wir haben eine ausreichend lange Bauzeit vereinbart. Jetzt fehlt nur noch der endgültige Zuschlag, an dem ich nicht zweifle.

Wie entwickelt sich der Yachtmarkt ?

Aly: Allein bis Jahresende könnten in diesem Topsegment weltweit drei weitere Aufträge vergeben werden. Der Kundenkreis für diese Luxusprodukte ist überschaubar: Es sind etwa 100 Milliardäre weltweit, die sich solche exklusiven Schiffe leisten können und wollen. Sie kommen vor allem aus Russland, den arabischen Staaten und aus Südamerika. Ziel ist es, mittelfristig im Jahresturnus einen Auftrag in diesem Segment zu akquirieren. Dabei wird uns unser gutes Image helfen: Die Kunden wissen: Blohm + Voss baut exklusive Yachten, die sonst keiner fertigen kann.

Wie gut ist die Auslastung ohne den anvisierten Yachtauftrag?

Aly: Von den rund 700 Beschäftigten im Neubau haben rund 300 durch die vier Fregatten, die wir aktuell im Auftrag für die Blohm + Voss Naval fertigen, genug zu tun. Zudem wird an dem neuen Yachtprojekt gearbeitet. Weiterhin unterstützen wir mit Kapazitäten aus unserer Konstruktion Siemens in Hamburg, Werften in Stralsund und Wolgast, die sich mit dem Bau von Umspannplattformen für Windparks befassen sowie die Kieler Werft HDW. Sobald der Yachtauftrag fix ist, brauchen wir die gesamte Belegschaft in Hamburg.

Wird neu eingestellt?

Aly: Wir suchen immer hoch qualifizierte Techniker und gewerbliche Mitarbeiter sowie Ingenieure, die das Projektmanagement bei Neubauten und bei komplexen Umbauten perfekt organisieren können. Doch diese Allrounder sind weltweit schwer zu bekommen. Unsere künftige Mitarbeiterzahl hängt von unserer Auslastung ab.

Wie beurteilen Sie den jüngsten Tarifabschluss für die Metallindustrie, unter den auch Ihr Unternehmen fällt?

Aly: Der Tarifabschluss belastet uns nicht nur wegen der neuen Zuschläge für Zeitarbeiter, sondern er verpflichtet uns auch, die Zeitarbeiter nach 18 Monaten fest im Betrieb zu übernehmen. Das können wir nicht schultern, weil wir hauptsächlich im Projektgeschäft mit langen Laufzeiten tätig sind. Alleine im Marineschiffbau rechnen wir kaum noch mit Folgeaufträgen nach 2018, sodass sich ein Personalaufbau nur in Grenzen darstellen lässt, um die Wettbewerbsfähigkeit, auch in der Produktion, nicht weiter zu belasten. Wie sollten wir sonst gegen die subventionierte Staatswerften in Frankreich und Italien ankommen? Deshalb müssen wir bei den Arbeitsverträgen flexibel bleiben. Diese Flexibilität haben wir infolge des Tarifabschlusses aber nicht mehr.

Sie befürchten also, mit einer zu großen und zu teuren Belegschaft dazustehen?

Aly: Genau das.

Was wollen Sie dagegen tun?

Aly: Wir müssen jetzt Gespräche mit der IG Metall führen und gemeinsam einen Ausweg aus dem Dilemma suchen.

Sollten die Gespräche erfolglos verlaufen, tritt Blohm + Voss dann aus dem Arbeitgeberverband aus?

Aly: Ich bin zunächst zuversichtlich, dass wir mit der Gewerkschaft einen Kompromiss finden. Aber ausschließen kann ich gar nichts.