Rund 20.000 Anrufe erreichen den Dienst im Jahr. Hilfesuchende werden oft mit einer automatischen Ansage vom Band vertröstet.

Hamburg. Probleme in der Familie, Panikattacken, Depressionen: Krisen erlebt jeder, und meistens hilft es da schon, einfach mal zu reden. Die Telefonseelsorge steht dafür jedem offen, anonym, kostenlos und rund um die Uhr. In Hamburg betreibt das Diakonische Werk den Dienst - muss aber viele Hilfesuchende mit einem automatischen Band vertrösten. Die Mitarbeitenden seien leider im Gespräch, heißt es dann. "Bitte versuchen Sie es später noch einmal oder nutzen Sie unsere Mail- und Chatberatung."

Pastorin Babette Glöckner, die Leiterin der Seelsorge, kennt die Lage. "Wir könnten Anrufe im Minutentakt annehmen", sagt sie. "Der Bedarf ist wahnsinnig groß." Rund 20.000 Anrufe erreichen den Dienst im Jahr.

Das Problem: Es gibt zu wenig Mitarbeiter. Die Telefonseelsorge finanziert sich ausschließlich durch Spenden und Kirchensteuer, alle Mitarbeiter machen die Arbeit ehrenamtlich. 110 Ehrenamtliche gibt es hier. Das reicht aber nur für zwei Leitungen, und ausgerechnet nachts ist nur eine besetzt. Es gibt eine katholische und eine evangelische Nummer, doch in Hamburg laufen beide beim Diakonischen Werk zusammen.

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Ein Gespräch dauert meist lange. Probleme brauchen Zeit, um erzählt zu werden, oft eine halbe Stunde, manchmal mehr. In dieser Zeit müssen die anderen Anrufer vertröstet werden; bei einem Selbstversuch des Abendblatts erreichten sieben von acht Anrufen nur das Band. Umso schlimmer ist der Engpass, da es abends, nachts und am Wochenende in Hamburg keine Alternativangebote gibt, andere Anlaufstellen wie die sozialpsychiatrischen Dienste haben feste Öffnungszeiten und sind gerade zu den eigentlichen Krisenzeiten geschlossen.

Wenn dann die einzige erreichbare Stimme eine automatische Bandansage ist, hilft das kaum. In Berlin etwa gibt es schon lange den Krisendienst, dessen professionelle Mitarbeiter gerade nachts gut erreichbar sind und der vom Land gefördert wird. "In Hamburg gibt es dafür kein Geld", sagt Glöckner. Zwar stellte die SPD 2009 einen Antrag zur Einrichtung eines Angebots. Der Landesverband der Angehörigen psychisch Kranker unterstützte das, auch angehörte Experten befürworteten zumindest einen Modellversuch. Dennoch wurde der Antrag abgelehnt.

Babette Glöckner als einzige Hauptamtliche kümmert sich um die diakonische Ausbildung, ein ganzes Jahr dauert sie, 190 Stunden Schulung. Danach verpflichten sich die Ehrenamtlichen zu je zwei vierstündigen Tagesdiensten im Monat und einem achtstündigen Nachtdienst im Vierteljahr. "Das klingt erst mal wenig", sagt Glöckner, "aber an der Leitung muss man eine Menge aushalten." Deshalb müssen Interessenten auch Voraussetzungen erfüllen: Selbst stabil zu sein, belastbar, aber ein sensibles Gespür zu haben und psychischen Problemen offen entgegenzutreten.

Die Religionszugehörigkeit ist nicht wichtig, religiöse Toleranz dafür umso mehr. Mindestens 25 Jahre alt müssen die Mitarbeiter sein, besser 30. Wer die einjährige Ausbildung machen will, sollte nicht älter als 60 sein.

Es gibt Banker unter den Mitarbeitern und Rentner. Viele arbeiten in Berufen, in denen die zwischenmenschlichen Kontakte eher reduziert sind.

Die Telefonseelsorge freut sich über Spenden und Bewerber. Interessierte können sich unter 30 62 03 58 oder per Mail an losch@diakonie-hamburg.de melden. Spenden unter dem Stichwort "Telefonseelsorge" an die Evangelische Darlehnsgenossenschaft Kiel, Kontonr. 210 16, Bankleitzahl 210 602 37.