Der Turnierdirektor gewährt einen Blick hinter die Kulissen und schreibt, warum der Rothenbaum eine besondere Faszination für ihn hat.

Als ich am Sonntagabend gemeinsam mit John McEnroe den Centre-Court betrat, da ging es mir so wie immer, wenn ich dieses wunderschöne Stadion betrete. Es kamen Erinnerungen in mir hoch, Bilder aus vergangenen Zeiten, und ich spürte, dass es nichts gibt, was ich mit dem Gefühl vergleichen könnte, vor Tausenden Menschen aufzutreten und das zu tun, was ich als Profi so gut konnte wie nichts anderes zuvor oder danach in meinem Leben: Tennis spielen.

In solchen Momenten weiß ich einzuschätzen, wie viel Glück ich hatte, diesen Beruf ausüben zu dürfen und vor allem auch Erfolg darin zu haben. Als junger Spieler macht man sich diese Gedanken nicht, man ist zu sehr mit sich selbst und seiner Leistung beschäftigt, man denkt an Weltranglistenpunkte und Turniersiege. Aber heute, wo ich die meiste Zeit auf der anderen Seite stehe, ist mir klar, was für eine unglaublich schöne Zeit der Lebensabschnitt als Profi ist.

Dennoch bin ich weit davon entfernt, die Vergangenheit zu verklären, dafür macht mir meine jetzige Aufgabe als Turnierdirektor am Rothenbaum viel zu viel Freude. Es ist jetzt schon das vierte Jahr, und wenn ich die Rückmeldungen unserer Kunden und Partner richtig einzuordnen weiß, dann glaube ich, dass mein Team und ich nicht völlig erfolglos gearbeitet haben. Das Turnier zählt seit 2009 nicht mehr zur höchsten Kategorie auf der ATP-Tour, dennoch wird Sandplatztennis auf Weltklasseniveau gezeigt. Vor allem haben wir dafür gesorgt, dass nicht mehr ständig über die Zukunft und den Fortbestand des Turniers diskutiert wird. Wir haben Planungssicherheit geschaffen. Mein Ziel ist es, mindestens noch sechs Jahre Turnierdirektor zu sein.

Meine größte Motivation ist, dieses Turnier in Hamburg zu erhalten, denn ich weiß: Wenn es einmal weg ist, bekommen wir es nie wieder. Und das wäre für viele Fans, aber auch für mich persönlich eine Katastrophe. Es wäre zu viel gesagt, dass der Rothenbaum ein Stück Heimat ist, ich bin ja nur gut eine Woche im Jahr auf der Anlage. Aber wir blicken mittlerweile auf 106 Jahre Tennis in Hamburg zurück, auch wenn ich nicht unterschlagen möchte, dass das Turnier von 1898 bis 1901 wegen Finanzierungsschwierigkeiten nach Bad Homburg ausgelagert war. Sie sehen also, schon vor mehr als 110 Jahren war Geld das Problem!

Wenn ich an meine ersten Erlebnisse am Rothenbaum denke, dann kommen mir stets die Bilder in den Kopf, wie wir als Kinder durch die Zäune schlüpften oder uns durch die Büsche schlugen, um auf dem Centre-Court unsere Idole für lau spielen zu sehen. Damals war der Centre-Court kein Stadion mit Dach wie heute, sondern ein Platz mit Grastribünen und Holzbänken, der mithilfe von Stahlrohrkonstruktionen für den Besucheransturm hergerichtet wurde. Es war wie ein Abenteuerspielplatz für mich und meine Geschwister. Natürlich habe ich auch krampfhaft versucht, Autogramme meiner Helden zu ergattern. Ich war eben Fan.

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Umso unglaublicher war es dann, als ich 1988 als Spieler meinen ersten Auftritt hatte. Der damalige Daviscup-Kapitän Niki Pilic hatte mir eine Wildcard für die Qualifikation zugeteilt, und ich war unglaublich aufgeregt. Meine ganze Familie konnte es nicht fassen, dass ich am Rothenbaum mitspielen durfte! Mein Problem war, dass ich eine Woche zuvor beim Fußballspiel mit meinem damaligen Klub SV Lieth einen Schlag aufs Knie bekommen hatte.

Ich musste deshalb mit einer Manschette spielen, was mir unglaublich peinlich war, aber ich wollte natürlich nicht absagen. Gegen den Tschechen Petr Korda habe ich dann deutlich verloren. Ein Jahr später bekam ich eine Wildcard fürs Hauptfeld, durfte auf dem größten Nebenplatz spielen, aber auch da lief es nicht gut für mich, gegen den Schweden Jonas B. Svensson war ich chancenlos.

Oft werde ich gefragt, was es mir bedeutet, 1993 das Turnier am Rothenbaum gewonnen zu haben. Ich antworte darauf zweigeteilt. Sportlich gab es sicherlich wichtigere Erfolge, so etwas wie einen Olympiasieg oder den Triumph im Daviscup kann man schwer toppen. Aber emotional war mein Sieg in Hamburg nach dem Titel in Wimbledon, den ich 1991 holen konnte, das Größte. Ich war tief berührt, habe bei der Siegerehrung geweint, weil es mir extrem viel bedeutet hat, das Turnier zu gewinnen, das meine Tennisleidenschaft überhaupt erst entfacht hat. Davon hatte ich immer geträumt!

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Spiele wie das gestrige gegen John McEnroe sind für mich nicht nur eine schöne Erinnerung an die Vergangenheit. Sie sind auch eine Brücke in die Gegenwart und die Zukunft. Ich weiß, dass Spieler wie John und ich sogar heute noch bekannter sind als viele aktuelle Profis auf der Tour.

Das macht mich stolz und dankbar, und ich möchte mich mit meinem Engagement dafür bedanken. Gleichzeitig möchte ich aber den Zuschauern den Tennissport so schmackhaft machen, dass sie sich dazu angeregt fühlen, auch der heutigen Generation eine Chance zu geben. Ohne die Begeisterung der Fans kann Tennis nicht den Status von einst erreichen.

Deshalb wünsche ich mir, dass in diesem Jahr endlich ein Nachfolger für mich gefunden wird und wieder ein Deutscher in Hamburg gewinnt. Auf den Status, der letzte deutsche Sieger zu sein, würde ich sehr gern verzichten. Es genügt mir, dass ich es überhaupt in die Siegerliste geschafft habe. Hier, an meinem Rothenbaum!

Mitarbeit: Ingo Röhrbein (Fotos), Axel Leonhard (Film)