Konzern streicht 4000 Verbindungen vom Airport in Fuhlsbüttel. Auch Sylt ist betroffen. Experten erwarten stabile Ticketpreise - auch wegen Bahnkonkurrenz.

Hamburg. Nachdem die Fluggesellschaft Air Berlin 4000 Flüge von Hamburg aus streichen will, bemüht sich der Flughafen massiv um Ersatz. "Wir sind bereits mit Gesellschaften im Gespräch", sagte Flughafensprecherin Katja Tempel dem Abendblatt. Es werde kein Loch im Streckennetz geben.

Air Berlin will im Winterflugplan unrentable Strecken streichen, um Kosten zu sparen. In Hamburg trifft das die Verbindungen nach Zürich, Barcelona und Karlsruhe. Die Strecke nach Nürnberg wird von täglich bisher vier auf zwei Flüge reduziert.

+++ Air Berlin streicht 4000 Flüge ab Hamburg +++

+++ Air Berlin streicht Strecken - Lufthansa will nicht einspringen +++

Air Berlin kürzt damit ihre Kapazität im Vergleich zum Winterflugplan 2011/12 um zwei Prozent. "Notwendig wird dieses Vorgehen vor allem durch die Luftverkehrssteuer", sagt Paul Gregorowitsch, Vertriebschef von Air Berlin. "Diese außerordentliche Belastung trifft nicht mehr nur die Regionalflughäfen, sondern mittlerweile auch größere Standorte." Neben Hamburg sind von den Streichungen auch andere Verbindungen betroffen. Gestrichen werden auch die Strecken Stuttgart-Mailand und Sylt-Mailand.

Hamburg verliert durch die Streichungen von Air Berlin jährlich 500.000 Passagiere, wenn es nicht gelingt, sie an andere Airlines zu binden. "Das ist ein herber Schlag für den Hamburger Flughafen", sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Denn das gesamte Umfeld sei für die Branche derzeit nicht günstig. Die Fluggesellschaften leiden nicht nur unter der neuen Ticketsteuer, die jeden Flug um rund zehn Euro teurer macht, sondern auch unter hohen Kerosinpreisen und Sparprogrammen in den Reiseabteilungen vieler Unternehmen. So bangt der Hamburger Flughafen, die angepeilte Passagierzahl von 14 Millionen in diesem Jahr zu erreichen.

Der Flughafen Hamburg zog bereits die Notbremse. In einer internen Mitteilung schreibt die Geschäftsführung ihren Mitarbeitern, dass es seit 1. Juli einen Personaleinstellungsstopp gibt, berichtet die "Bild"-Zeitung. "Es ist richtig, dass es bis zum Jahresende zunächst keine Neueinstellungen geben wird", sagt Tempel. "Wir halten aber unsere Beschäftigung. Große Neueinstellungen waren nicht geplant." Der Flughafen beschäftigt 1600 Mitarbeiter.

Für die Passagiere in Hamburg fällt nur eine Verbindung ersatzlos weg. Auf den anderen Strecken fliegen auch andere Gesellschaften. Eine Direktverbindung nach Karlsruhe wird es ab Ende Oktober nicht mehr geben. Die Lufthansa wird diese Strecke nicht in ihr Programm aufnehmen. Angesichts des schwierigen Umfelds gebe es keinen Anlass, über neue "risikobehaftete Streckenplanungen" nachzudenken, sagte Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber. Auch an einem Hinweis auf die hohen Flughafengebühren in Hamburg fehlte es nicht. Der Airport wies das zurück. "Wir sind einer der wenigen Flughäfen, die noch eigene Bodenverkehrsdienste haben, obwohl wir damit kein Geld verdienen", sagte Tempel. Gleichzeitig versicherte Weber, dass Lufthansa ihre bisherige Flughöhe am Standort Hamburg beibehalten werde. "Es werden weder Strecken gestrichen noch die Anzahl der Flüge gekürzt."

+++ Leitartikel: Schlappe für Hamburg +++

Statt nach Karlsruhe werden die Passagiere künftig nach Stuttgart fliegen müssen, wenn sich kein Ersatz für die Strecke findet. Bereits vor einem Jahr hatte Air Berlin die Verbindung Hamburg-Frankfurt aufgegeben und die Strecke dem Konkurrenten Lufthansa überlassen. Bis heute hat sich keine Airline gefunden, die dem Kranich Konkurrenz macht. "Das ist bei dieser Strecke nicht verwunderlich", sagt Cord Schellenberg; Vizepräsident des Luftfahrt-Presse-Clubs Hamburg. "Aber für die Verbindung nach Karlsruhe könnten sich kleinere Gesellschaften interessieren", erwartet Schellenberg.

Zürich, wohin jährlich von Hamburg aus rund 613.000 Passagiere mit verschiedenen Anbietern pendeln, wird bereits von der Lufthansa und ihrer Tochter Swiss bedient. "Die können bei Bedarf größere Maschinen einsetzen", sagt Schellenberg. "Die Konkurrenz freut sich über diesen Rückzug von Air Berlin." Nach Barcelona flogen im vergangenen Jahr 100.000 Passagiere vom Hamburger Flughafen aus. "Dort hat auch der spanische Niedrigpreisanbieter Vueling eine Basis und könnte möglicherweise an einem Streckenausbau nach Nordeuropa interessiert sein", sagt Schellenberg. Einen Preisschub für die Passagiere erwartet er nicht. "Wer mit Vorlauf von zwei bis drei Wochen bucht, wird auch künftig günstige Preise finden." Da wahrscheinlich die Kapazitäten der verbliebenen Anbieter erweitert würden, gebe es wieder ausreichend Wettbewerb. "Die Preise lassen sich insbesondere auf den Inlandsverbindungen nicht beliebig anheben, da sonst die Passagiere auf die Bahn umsteigen", sagt Schellenberg. Ohnehin hatten sich die Preise zwischen Lufthansa und Air Berlin schon stark angeglichen. Wer etwa am 26. Juli nach Zürich und am 28. Juli wieder zurück nach Hamburg fliegen will, zahlt bei beiden Gesellschaften rund 250 Euro.

Air Berlin steckt seit Längerem in der Klemme: Vier verlustreiche Jahre in Folge haben den Schuldenberg bei Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft zum Geschäftsjahresende 2011 auf 813 Millionen Euro wachsen lassen. Air Berlin hatte im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 4,23 Milliarden Euro einen Verlust von 272 Millionen Euro eingeflogen. Der Börsenwert schmolz auf aktuell etwa 208 Millionen Euro. Ein Sparprogramm soll helfen, das Unternehmen mit 9100 Beschäftigten wieder profitabel zu machen. In diesem Jahr verkleinert Air Berlin seine Flotte um 18 Flugzeuge auf 152. Unrentable Strecken fallen weg, Kosten in Verwaltung, Einkauf und Vertrieb sollen sinken, Nebeneinkünfte aus Zuschlägen steigen. Einen Stellenabbau schließt Konzernchef Hartmut Mehdorn nicht aus. 2013 will das Unternehmen wieder die Gewinnzone erreichen.