Für die früheren Sicherungsverwahrten braucht Hamburg ein breit getragenes Konzept

Es gibt auch für Politiker Probleme, die sie lösen müssen, obwohl sie für deren Ursache nicht verantwortlich sind. So geht es dem Hamburger Senat mit der Unterbringung derjenigen Sicherungsverwahrten, die aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte freigelassen werden mussten oder noch künftig freikommen werden. Hamburg ist in der gleichen Lage wie alle anderen Bundesländer auch.

Wenn überhaupt, dann liegt das Versäumnis auf der Bundesebene. Der Gesetzgeber hat keine rechtsfeste Regelung geschaffen, die es möglich macht, als dauerhaft gefährlich eingestufte Schwerverbrecher rückwirkend auch dann hinter Gittern zu behalten, wenn sie ihre Haftstrafe als Vergewaltiger oder Mörder abgesessen haben. Die Folge dieser Unterlassung war ein vielleicht juristisch nachvollziehbares, aber an den Gegebenheiten des menschlichen Zusammenlebens wenig orientiertes Urteil. Motto: Lasst sie einfach laufen!

Das ist der akademische Teil der Debatte über die Sicherungsverwahrung. In Hamburg, wie in den anderen Ländern auch, geht es aber sehr konkret um die Frage, wohin mit den Menschen, die nicht wenige als "tickende Zeitbomben" bezeichnen. In Hamburg gibt es aktuell zwei frühere Sicherungsverwahrte, in wenigen Tagen vielleicht schon drei. Im kommenden Jahr können elf weitere Männer hinzukommen.

Mit anderen Worten: Eine pragmatische Lösung muss her, zumal niemand die Sicherungsverwahrten zwingen kann, sich an einem bestimmten Ort niederzulassen. Das Druckmittel der Politik: Auf dem freien Wohnungsmarkt werden die Haftentlassenen keine Chance haben, deswegen sind sie auf staatliche Hilfe, letztlich auf Kooperation angewiesen.

Es wäre ein Gebot der politischen Vernunft, wenn sich die norddeutschen Länder auf ein gemeinsames Konzept für eine dauerhafte Lösung zur Unterbringung einigen könnten. Hamburg unterhält in Fuhlsbüttel eine Station speziell für die Straftäter, die derzeit in Sicherungsverwahrung sind. Hier sind Kapazitäten frei, und im Gegenzug könnten die Flächenländer die bereits Freigelassenen aufnehmen. Allein: So uneigennützig funktioniert die Politik nicht. Da in Schleswig-Holstein im kommenden Jahr Landtagswahlen anstehen und die Neigung zu unangenehmen Themen dort nicht allzu groß ist, herrscht ohnehin erst einmal Stillstand.

Mindestens kurz- bis mittelfristig muss sich der Stadtstaat also um eine eigene Lösung bemühen. Nüchtern betrachtet ist der SPD-geführte Senat mit seinem Vorschlag, die Sicherungsverwahrten auf dem Gelände eines Alten- und Pflegeheims in Jenfeld unterzubringen, bereits jetzt gescheitert. Der Protest vor Ort ist zu stark, und die Betroffenen selbst wollen schon deswegen nicht dorthin.

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) spricht zwar noch markig vom "einzigen Angebot, das die Stadt machen kann". Er weiß, dass es nur schwieriger, nicht leichter wird, wenn man schon einmal nachgegeben und einen Standortvorschlag zurückgezogen hat. Allein: Die Fakten weisen in eine andere Richtung als die eines Erfolgs für den Vorschlag des Senats.

Deswegen ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Lösung, die von möglichst breitem Konsens in der Stadt getragen wird. Ob der Vorstoß der GAL, die Ex-Sicherungsverwahrten in Häusern am Untersuchungsgefängnis - also gewissermaßen unter den wachsamen Augen des Gesetzes - einzuquartieren, die angemessene Lösung ist, kann spontan nicht beurteilt werden. Eine faire Prüfung hat der Vorschlag in jedem Fall verdient.

Bemerkenswert und verdienstvoll ist aber schon jetzt, dass sich die Opposition hier den Kopf der Regierung zerbricht. Es ist gut, wenn noch mehr Menschen Gemeinsinn entwickeln und ihre Verantwortung für die Lösung eines Problems entdecken, das im Rathaus nicht seine Ursache hat.