Jeder Schauspieler hat einmal klein angefangen: Ein Besuch bei der Generalprobe für das Krippenspiel in der Christuskirche.

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt sich schätzen ließe.

Menschenskind, kann ein Krippenspiel aufregend sein! Schon vor der Generalprobe herrscht in der Sakristei der Christuskirche zu Othmarschen große Aufregung. Drei kleine Engel überprüfen den Sitz ihrer Heiligenscheine. Joseph klärt die Belastbarkeit seines Holzstocks, indem er rhythmisch auf den Boden hämmert. Ein Mini-Hirte summt: "O du fröhliche ..."

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Das Schaf nestelt noch an seiner Wolljacke. Passt großartig. Vor allem trägt Meike ihren weißen Kuschelbären im Arm. Er wird später eine wichtige Rolle übernehmen und in der Krippe zum Einsatz kommen - als Double,quasi. Dazu später mehr.

Denn jetzt geht's los: Auf ins Kirchenschiff. Noch herrscht himmlische Ruhe, doch am Heiligen Abend ab 15 Uhr wird es ernst. Dann steigt der Auftritt, auf den seit Wochen hingearbeitet wird. Mit Inbrunst, roten Wangen und jeder Menge Spaß. Zehn junge Darsteller zwischen sechs und neun Jahren drängen sich auf der vordersten Bank, wackeln nervös mit den Beinen und spitzen die Ohren.

Das Schaf, eigentlich heißt es Antonia und geht in die Klasse 3c der Grundschule Klein Flottbeker Weg, sprintet in den Altarraum und unterbricht die Erzählung, kaum dass sie begonnen hat: "Moment! Ihr könnt doch nicht einfach ohne mich anfangen." Gehört aber zum Text. Der siebenjährige Nikolai aus der 2a alias Joseph wippt auf seinem Platz, um seinen Einsatz bloß nicht zu verpassen. Er zieht seinen Schlapphut (aus dem Keller, von Opa) nach oben, streichelt die Fellweste (von Oma abgestaubt), greift seinen Stock und mischt sich mutig ein: "Gestatten, Joseph, Zimmermann vom fernen Nazareth."

Hinter den Kulissen klatscht die Regisseurin leise Beifall und deutet auf Lisa. Diese eilt in die Mitte und verkündet: "Maria bin ich, schwanger nun, such einen warmen Ort." Sie spricht den Vers selbstbewusst, und sie betont erstklassig. Ohnehin: Mit ihren langen, schwarzen Haaren und dem bordeauxroten Kleid kann es keine bessere Besetzung geben.

Das findet auch der Hausmeister. Auf leisen Sohlen ist er in die Kirche geschlichen und präpariert das Lagerfeuer als wärmende Quelle im nicht vorhandenen Stall. Der Mann ist eine Koryphäe in Improvisation. Zwei Verlängerungskabel, eine Lichterkette in einer durchsichtigen Salatschüssel, rote Serviette darüber - schon lodert die "Flamme". Die Kinder sind schwer begeistert. In einem spontanen Akt unterbrechen sie die Vorstellung. Das darf im Weihnachtsgottesdienst nicht passieren.

Maria gebar ihren erstgeborenen Sohn, hüllte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.

In genau diesem Augenblick kommt Meikes weißer Kuschelbär zum Einsatz. Ganz zärtlich bettet die neunjährige Grundschülerin ihr Lieblingstier auf das Stroh in der Krippe.

Einen Moment bitte. Auszeit. Mit kurzer Diskussion, ob das geht und - vor allem - ob das fotografiert werden darf. Natürlich müsste hier eigentlich das Jesuskind liegen, wissen auch der Verkündigungsengel Amelie, ihre beiden jüngeren Kolleginnen Charlotte und Charlotte aus der ersten Klasse. Letztlich aber wird einvernehmlich beschlossen: Der Kuschelbär bleibt liegen. Gewiss hat der liebe Gott nichts dagegen. Ganz im Gegenteil. Schließlich stehen beim Glauben alles andere als Äußerlichkeiten im Mittelpunkt. Turbulent wird die Generalprobe fortgesetzt.

Doch halt, noch ein kleiner Einspruch. "Ein Rind ist geboren", ist falsch. Die Nachwuchsschauspieler lachen und nicken. Verstanden. Joseph, Maria, Erzählerin Helene, die Hirten Meike und Alma sowie Herbergswirtin Louise beziehen Position an der Krippe. "Ein Kind! Wie wunderbar!", ruft das große Schaf, also Antonia, von allen nur Toni genannt. "Ich will auch mal ganz nah an die Krippe", fordert das kleine Schaf. "Ja, darfst du ja", beruhigt das große Schaf.

Famos haben sie das gemacht. Alle miteinander. Bevor die Probe mit einem finalen Schnelldurchlauf ausklingt, lässt Regisseurin Eva Hage den Engeln, Schafen, Hirten, Maria und Joseph eine Pause zum Atemholen. So richtig genutzt wird das nicht; denn alsbald ist die Christuskirche erfüllt von lautem Geschnatter. Jeder kennt jeden aus der Schule Klein Flottbeker Weg nebenan. Die Aufregung vor dem Krippenspiel an diesem Sonnabend nimmt zu. Alle waren fleißig und haben den Text, der übrigens von Eva Hage persönlich verfasst wurde, zu Hause auswendig gelernt. Bisweilen haben die kleineren Geschwister genervt, aber was soll's. Am Heiligen Abend wird die Gruppe von einem Dutzend anderer Kinder unterstützt. Diese singen mit oder übernehmen stumme Rollen.

Jeder hat einmal so klein angefangen - als Stern, Palme oder stiller Zeuge. Auch das Schaf alias Toni spielte anfangs einen Engel ohne Worte. Jetzt fühlt sie sich als Profi. Zu Recht. "Ich habe meine Passagen gut drauf", sagt sie, "muss aber ganz schön aufpassen." Vier Einsätze zum Christfest in den letzten Jahren bringen Routine. Auch Joseph alias Nikolai, beim heutigen Test einziger Buttje neben neun Mädels, ist cool bis ins Mark. Äußerlich. "Kein Thema", winkt er lässig ab. Dass die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt sein wird und die Verwandten große Augen machen werden, motiviere ihn nur. Und wer in der Theater-AG der Schule seinen Mann steht, so wie Nikolai, schafft auch den Heiligen Abend spielend.

Eva Hage, die eigentlich Sängerin sowie Gesangspädagogin ist und den Kinderchor der Christuskirche leitet, hat ein feinfühlendes Händchen für ihre Schützlinge. "Alle sind mit Begeisterung bei der Sache", weiß sie, "und sehnen den großen Tag herbei." Als Helfer stehen ihr Jugendleiterin Christina Tiegel sowie die Gymnasiastinnen Caro Preis und Feil Bamberg aus der Jugendarbeit der Kirche zur Seite. Alle eint die Leidenschaft, zum Christfest Frohsinn zu schaffen. So viel inneres Feuer steckt an.

"Gloria in excelsis Deo", frohlockt Engel 2 nach der Ruhepause gekonnt. "Gott allein die Herrlichkeit." Der Heiligenschein, aber das wirklich nur am Rande, kommt für 99 Cent von "nanu nanu". "Fürchtet euch nicht!", ruft Amelie mit fester Stimme. "Siehe, ich verkünde euch große Freude." Das macht Spaß. Und Festtagsstimmung.

Die Hirten aber kehrten zurück und priesen und lobten Gott für all das, was sie gehört und gesehen hatten.

"Wer möchte ein Solostück singen?", fragt Frau Hage. Zehn Arme gehen in die Höhe - sechs ganz, vier halb. Dann fassen sich die Kinder an die Hände und singen gemeinsam: "Freu dich, Erd' und Sternenzelt." Die jungen Stimmen füllen das noch leere Gotteshaus mit Leben. Das fast letzte Wort eines wundersamen Vorabends unter gutem Stern hat Schaf Antonia: "Frohe Weihnachten. Tschüs!"

Meike greift sich ihren Kuschelbären aus der Krippe. Ganz beseelt eilen die kleinen Christkinder heimwärts. Nun kann Weihnachten werden.