EU und 120 Entwicklungsländer üben nach Gipfel in Durban mehr Druck auf Bremser aus.

Die jährlichen Klimagipfel sind als Verhandlungsmarathons bekannt; der aktuelle, der gestern Morgen im südafrikanischen Durban zu Ende ging, brach alle Rekorde. Statt, wie geplant, am Freitagabend auseinanderzugehen, rangen die meisten Vertreter der insgesamt 192 Vertragsstaaten der Uno-Klimakonvention zwei weitere Nächte und einen Tag, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen. Tatsächlich präsentierten sie gestern der Weltöffentlichkeit erste Skizzen für neue Klimaschutzinitiativen. Doch wie schon in der Vergangenheit zeigte sich: Die Ergebnisse des internationalen Verhandlungsprozesses reichen bei Weitem nicht aus, um die Erderwärmung so weit zu begrenzen, dass ihre Folgen überschaubar bleiben.

Im kommenden Jahr läuft das Kyoto-Protokoll aus, das einzige internationale Vertragswerk, das Staaten verpflichtete, ihren Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Vor den Verhandlungen sind viele Beobachter davon ausgegangen, dass das Protokoll in Durban endgültig begraben wird. Stattdessen stellten die Konferenzteilnehmer die Weichen für eine Verlängerung, über deren Inhalte im kommenden Jahr entschieden werden soll. Doch trotz Wiederbelebung bleibt der Patient schwach: Das Protokoll gilt nicht für die größten Klimasünder China und USA. Es umfasst nur die Industriestaaten, und die USA haben das Protokoll nie ratifiziert. Damit klammert es bereits gut 40 Prozent der globalen Emissionen aus. Auch Indien, das den drittgrößten CO2-Ausstoß verantwortet, ist nicht dabei, und die Nummer vier und fünf - Russland und Japan - haben angekündigt, an der zweiten Verpflichtungsperiode nicht teilnehmen zu wollen.

Was hilft also eine internationale Vereinbarung, die überhaupt nur gut 15 Prozent der Treibhausgasemissionen erfasst? Sie hilft ein bisschen, aber viel zu wenig. Deshalb ist das in Durban ausgehandelte Mandat, bis zum Jahr 2015 ein neues Abkommen auszuhandeln, das die Schwellenländer China und Indien und eben auch die USA einbezieht, höher zu bewerten als das verlängerte Kyoto-Protokoll. Während in Deutschland noch darüber diskutiert wird, ob die Ausweitung der Weinanbauzone nach Norden höher zu bewerten ist als das steigende Sturmflutrisiko, steht anderen, meist armen Ländern das Wasser schon heute bis zum Hals - oder es fehlt ihnen ganz. Nur Zyniker sehen darüber hinweg. Alle anderen spüren die Verantwortung gerade auch der wohlhabenden (aber verschuldeten) Industriestaaten, ihre Energiewirtschaft zu modernisieren und besonders betroffenen Ländern zu helfen, die Folgen des Wandels bewältigen zu können.

Hier wird im internationalen Verhandlungsprozess eine große Koalition der Willigen gebraucht, und genau die hat sich in Durban gebildet. Die EU und 120 Entwicklungsländer haben sich zusammengetan und sich gemeinsam für ein starkes Klimaschutzabkommen eingesetzt. Das übt vor allem auf China deutlich mehr Druck aus, das bislang der Gruppe der Entwicklungsländer zugeordnet war. Und es sortiert auch alle anderen Schwellenländer zur Seite der Blockierer, die bislang von den USA dominiert wurde.

Solange die Neinsager (ähnlich wie Großbritannien bei der EU-Krisenbewältigung) in ihrer Heimat für ihre Blockadehaltung vom Volke bejubelt werden, wird die auf Uno-Konferenzen geforderte Einstimmigkeit der Beschlüsse kaum zu erreichen sein. Die Konferenz von Kopenhagen hatte vor zwei Jahren die Weichen zu Gipfelbeschlüssen gestellt, die nicht von allen, aber doch von der weit überwiegenden Mehrheit der Länder getragen werden. Dies mag ein Weg in die Zukunft sein. Der bessere wäre, wenn es der in Durban formierten Allianz gelänge, mit Verhandlungsgeschick die Reihen der Blockierer so weit aufzulösen, dass diese sich bewegen. Am besten gleich auf dem nächsten Gipfel 2012.